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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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denn diese Umwege? Grammatik und Logik will ich ja noch verstehen, aber Geometrie und Astronomie, wo ich doch Arzt werden will …?«
    »Arzt? Und kein allseitig gebildeter Mann?«
    Ich schwieg beschämt. gewiss, er hatte recht. Wer konnte die Zusammenhänge von Körper und Seele, von Gesundheit und Krankheit erkennen, ohne mit seinem Wissen in das Dunkel der Natur hineinzuleuchten? Und wenn sich auf mathematischem Wege die Gesetzmäßigkeit der Töne, ihre Harmonie und Disharmonie, erkennen und die Bahn der Gestirne berechnen lässt, wie ich schon in Samarkand gelernt hatte, warum nicht auch eines Tages die Gesetzmäßigkeit von Zyklen und Abläufen in den Organen des menschlichen Körpers? Und das alles zusammen gäbe dann doch erst die Grundlage ab für die Frage aller Fragen: die Frage nach Gott und seiner ewigen Wahrheit. Oh, nie hätte ich gedacht, dass bis dorthin ein so weiter Weg sei!
    Hans Trautenberger unterbrach mein Grübeln, indem er sagte: »Auch ich will nicht bei den sieben freien Künsten stehenbleibende. Ich werde Jura studieren. Mein Vater sagt, nur wenn ich als Doktor beider Rechte nach Siebenbürgen zurückkehre, kann ich die Weißenburger Domherren mit ihren eigenen Waffen schlagen und ihre Angriffe auf unsere sächsischen Rechte abwehren.«
    Diese Rede kam mir ungeheuerlich vor. »Waffen? Wozu benötigen denn Gottesdiener, Jünger Christi, Waffen? Und wenn sie ihrer bedürfen, so doch nur, um Seiner Liebe, Seiner Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen! Warum sollen sich da andere Christen der gleichen Waffen bedienen müssen, nicht, um ihren Glaubensbrüdern beizuspringen, sondern um sie zu bekämpfen?«
    »Ach, Freund«, er sah mich an wie einen, der von einem andern Stern auf die Erde gefallen ist, und in seinen Augen war eine Traurigkeit zu lesen, die mich erschreckte, »darüber ließe sich zu vieles sagen, als dass du es an einem Tage erfassen könntest. Aber du wirst schon noch dahinterkommen. Wenn du erst ein paar Jahre unter Christen gelebt hast, wirst du dahinterkommen.«
    Am Sonntag Lätare besuchte mich mein Vater. Er brachte ein paar Schnepfen mit, die er geschossen hatte, und erzählte von Kövár. Die Jagd stand gut. Er hatte Wildschweine und Hirsche erlegt und sogar einen Bären. Fleisch also wurde genügend eingepökelt, es würde bis in den Sommer reichen. Am glücklichsten aber schien er darüber zu sein, dass er einige Falkenpärchen beobachtet hatte, die in Seinen Waldungen sich Horste bauten.
    »Ich werde mir ihre Jungen holen«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Nicht aus dem Horst. Aber sobald sie flügge sind. Mit Netzen muss man sie dann fangen, denn Ästlinge sind besser als Nestlinge. Und wenn ich sie gezähmt und abgerichtet habe, werde ich sie verkaufen. Du wirst sehen, was mir das einbringt! Weißt du, dass Bajazid, der in der Schlacht von Nikopolis den Herzog von Nevers und viele französische Edelleute gefangen genommen hatte, diese gegen ein noch so hohes Lösegeld nicht freigeben wollte, aber als der Herzog von Burgund ihm zwölf weiße Falken anbot, ließ er sie ziehen. Das erzählte mir vor Kurzem der Béldi Lászlo, der es von einem jener Edelleute selbst gehört hat. Nun, weiß werden meine Falken zwar nicht sein, aber auch die braunen haben ihren Preis! Ich werde sie an die Höfe schicken, nach Buda, nach Prag, nach Wien …«
    Er hat nachher viel Geld aus seiner Falkenzucht herausgeschlagen, ich nehme an, dass er mein ganzes Studium damit hat finanzieren können. Denn er besaß die glücklichen Hände, die nur das anfassen, was sie von Grund auf verstehen, das aber dann auch zu einem guten Ende führen.
    Es traf sich, dass auch Martin Trautenberger in jenen Tagen nach Weißenburg kam, um seinen Hans abzuholen. Unsere beiden Väter, sich an Lebenstüchtigkeit und Tatkraft so ähnlich, fanden Gefallen aneinander und haben manches redliche Geschäft miteinander getätigt, jeder zu seinem eigenen Nutzen wie zu dem des Partners.
    So konnten wir sie leicht überreden, in unsern Plan einzuwilligen. Zwar machte der Ohm ein verdrossenes Gesicht, als er hörte, dass ich die Domschule schon so bald verlassen wollte, hatte auch Einwände verschiedenster Art, doch der Vater, dem ich zu verstehen gegeben hatte, wie wenig der Unterricht taugte, wusste ihn zu beschwichtigen auf seine Weise – er ließ ein tüchtiges Abschiedsgeschenk an guten Münzen auf den Tisch springen, versprach ein Fässchen des besten Kokeltaler Weines und bewirkte, dass man mich nicht nur in

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