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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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machen hierzulande die Bader und die Bartscherer.«
    »Und die Sektion von Leichen? Ist das kein schmutziges Geschäft?«
    Er sah mich groß an. »Ach so, du meinst, weil ich damals gesagt habe, man müsste …? Nein, nein! Lassen wir lieber die Finger davon.«
    Und als ich ihm eine Entgegnung schuldig blieb:
    »Man muss seine Grenzen kennen. Dann kann man sein Glück festhalten sein Leben lang. Wer aber den Irrlichtern seiner Träume und Einbildungen nachläuft – immer von einem zu andern – gerät schließlich in den Sumpf und erstickt darin.«
    Vielleicht hatte er recht. Er ist ein sehr berühmter Mann geworden, dessen Lehrbücher oft abgeschrieben und von einer Universität zur andern getragen werden. Ich will ihn nicht schelten, weil er dort haltmachte, wo ihn sein Forschen in die Gefahr gebracht hätte, Ehre, Ansehen und gar das Leben zu verlieren.
    Es vergingen weitere Jahre. Und eines Tages sagte mir Doktor Giovanni: »Nun ist es an der Zeit, Georgius, dass du dich um den Doktorhut bemühst.«
    O ja, ich kannte meinen Galenus zur Genüge, hatte sogar sehr zum Entzücken meines Lehrers in Venedig einige arabische Übersetzungen seiner Schriften aufgetrieben, die im Lateinischen noch nicht vorhanden waren. Wir übertrugen sie gemeinsam, und er veröffentlichte sie. Hierin sah er keine Gefahr.
    Ich bewarb mich also um meine Promotion, reichte als Unterlage die Befürwortung meines Protektors und das Zeugnis der Weißenburger Domschule ein, und nach einigen Tagen sagte mir Giovanni, ich möge mich beim Dekan unserer Fakultät melden. Voller Erwartung ging ich hin.
    Oh, er würde mir sicherlich den Termin meiner Prüfung nennen, und wenn ich die bestanden hatte, woran ich nicht im geringsten zweifelte, wie wollte ich da vor meinen Vater treten und sagen: »Siehst du, die Erde hat Platz für alle: für Michael und Annuska (Ildikó hatte ihm einen Sohn und eine Tochter geboren), die dein Gut erben werden, wie für mich, der ich mich in Zukunft nun ohne weitere Hilfe von dir reichlich ernähren kann.« Und er würde sagen: »Ja, mein Sohn, dir fehlt nun zu deinem Glück nichts weiter als eine gute Frau.« Und ich würde erwidern: »Sie wird mir nicht mehr lange fehlen, lieber Vater, ich habe mir schon eine ausgesucht.«
    Das hatte ich. Giulietta war nun kein Kind mehr, war ein junges Mädchen, ausgestattet mit aller Lieblichkeit ihrer sechzehn Jahre, sittsam, wohlerzogen und wohlbehütet. Da ich in dem Hause ihrer Pflegeeltern seit so langer Zeit schon aus und ein ging, betrachtete sie mich fast wie einen Verwandten, und es gab keine Fremdheit zwischen ihr und mir. Sie lachte so gern, und mir tat ihr Lachen so wohl. Dann musste ich wegsehn, um sie nicht zu fassen und abzuküssen. (Das aber erlaubte ich mir nicht, da ich nicht das Vertrauen so gröblich verletzen wollte, das man mir in diesem Hause entgegenbrachte.)
    Und sie war auch klug. Man hatte sie nicht unwissend und ungebildet aufwachsen lassen, hatte sie lesen und schreiben gelehrt, wenn auch freilich nicht in lateinischer Sprache. Einmal überraschte ich sie, wie sie ein Buch schnell weglegte, als ich ins Zimmer trat. »Was verbirgst du denn da vor mir?« fragte ich, und sie, über und über rot werdend, reichte es mir zu. Ein dünnes, abgegriffenes Heft mit Abschriften von Petrarcas Liebesgedichten.
    »Sind sie nicht schön, diese Reime?«, fragte sie, und ich musste gestehen, dass ich sie nicht kannte. Da zitierte sie:
    »Gesegnet sei der Tag, der Mond, das Jahr,
    die Stunde und der süße Augenblick,
    das liebe Land, der Ort, wo mein Geschick
    mich band an dieses schöne Augenpaar.«
    Doch ehe ich mich dazu äußern konnte, war sie verschwunden. Und das Heft hatte sie in meiner Hand zurückgelassen.
    Ich stand noch da und sah ihr nach, als der Doktor das Zimmer betrat. »Ach, die Gedichte Petrarcas«, sagte er, als er sah, was ich in den Händen hielt, »diese Reliquie unseres Hauses. Sicherlich hat Giulietta sie liegen lassen, sie sind ihr Eigentum. Du musst wissen, Petrarca war der Bruder ihrer Urgroßmutter, und die Gedichte stammen von seiner eigenen Hand. Aber das ist keine Lektüre für unsereinen. Da hat er Wertvolleres hinterlassen. Kennst du sein ›De contemptu mundi‹? Diesen Traktat liebe ich am meisten, weil er uns darin seine Seele offenbart. Ich kann ihn dir geben – allerdings nicht im Original, sondern nur in Abschrift, aber die ist von ihm selber verglichen und mit seinem Signum versehen worden.«
    Er nahm mir die Gedichte aus der

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