Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Wüstenwind über dem Mittelmeer auf seine Flügel nimmt und die den Menschen wie ein Gifthauch anweht. Der Himmel sah aus wie geschmolzenes Blei, die Sonne schimmerte wie durch einen gelben Schleier, und dennoch brannte sie. »Sie scheint mit falschem Licht«, sagte Antonio.
Ich hatte meinen Falben im Stall gelassen, und nur mit Mühe konnte ich mit dem barfüßigen Burschen Schritt halten, der so leicht über all die scharfen Bruchsteine der ungepflegten Straßen hinwegschritt, als ginge es über Blumenwiesen. Unter einem mächtigen Bogen des alten Aquädukts hindurch gelangten wir zum Tiber, der breit und mächtig seine Wasser dem Meere zuwälzte. Wir mussten ihn auf einer Brücke überqueren und gelangten dann auf die Straße, die zum Papstpalast auf dem Vatikanischen Hügel führt.
Man wies mich in einen großen, halbdunklen Raum, der schon mit Bittstellern aller Art gefüllt war. Antonio hätte nach Hause gehen können, doch war er dazu nicht zu bewegen. »Ich muss Euch doch zurückführen, Don Giorgio«, sagte er ein ums andere Mal. Ungeduld kannte er anscheinend gar nicht. Da bezwang auch ich sie.
Als ich endlich an der Reihe war, wurde ich durch einen langen Korridor geführt, der vor einer Flügeltür endete. Sie öffnete sich, und ich trat in ein schmales, mönchszellenähnliches Gemach, in dem ein Kleriker seinen Kopf über ein Pergament neigte, sodass mir seine Tonsur wie ein bleicher Vollmond entgegenleuchtete.
Er blickte auf bei meinem Gruß und fragte, nicht unfreundlich, aber kühl, nach meinem Begehr. Ich überreichte ihm meine Bittschrift. Hans Trautenberger hatte sie verfasst. Er beherrschte den juristischen Stil mit all seinen Spitzfindigkeiten. »Nicht um Anerkennung der Rechtmäßigkeit der Ehe deiner Eltern können wir ansuchen«, hatte er mich belehrt, »denn ein von keinem Priester eingesegnetes Zusammenleben von Mann und Frau ist ein Konkubinat und kann niemals eine Ehe sein. Nein, du musst ansuchen um deine Legitimation, die dich in den Rechtszustand versetzt, als ob du ein ehelich Geborener wärest. Wir werden darlegen, dass deine Eltern nur durch ›vis maior‹ verhindert worden sind, das Sakrament der Ehe von einem Priester zu empfangen. Werden die Geschichte ihrer Gefangennahme erzählen, ihrer Flucht und die des Todes deiner Mutter, und es wird dir gelingen, das Herz des Papstes zu rühren, vorausgesetzt, dass …« Er hatte sich unterbrochen und, als ich eine ungeduldige Bemerkung machte, gefragt: »Erzähltest du nicht, du habest noch von den Goldstücken, die Ulug Beg deinem Vater zum Abschied schenkte? Das wären doch Indizien für die Wahrheit deiner Behauptungen.«
Oh, ich verstand ihn. »In Samarkand erzählt man sich, dass Timur einen goldenen Esel vorausschickte, wenn er in eine Burg eindringen wollte, die zu stark befestigt, zu wohl verteidigt war, als dass er hoffen konnte, sie im Sturm zu nehmen. Das meinst du doch wohl?«
»Genau das meine ich.«
An dieses Gespräch musste ich denken, während sich der Kleriker nun lesend über mein Papier beugte. Abermals leuchtete mir der Vollmond seiner Tonsur entgegen. (»Mit falschem Licht« – passten Antonios Worte nicht auch hier?) Es dauerte eine gute Weile, ehe sich der kahle Kopf wieder hob. Für mich eine schlechte Weile.
»Hast du Beweise?« fragte er in einem neapolitanisch gefärbten Latein, »Zeugen?« Ich zog meinen Beutel hervor. »Hier, diese Münze – wir haben sie mitgebracht aus der Tartarei.« Ich fingerte ein Goldstück heraus und hielt es ihm vor die Augen. »Das ist eine Prägung aus Herat, dem Regierungssitz des Vaters von Ulug Beg, in dessen Gewalt wir waren.« Ich reichte sie ihm hin.
Er prüfte sie. Offensichtlich nicht auf ihre Prägung, sondern auf den Goldgehalt. »Es ist gut«, sagte er schließlich, »ich kann die Eingabe annehmen. Frage in einem Monat wieder nach.« Und er legte das Goldstück in das sorgfältig gefaltete Papier.
Was soll ich viel erzählen? Als ich nach vier Wochen wiederkam, hieß es: »Ja, denkst du, Seine Heiligkeit setzt sich hier in Rom der Fieberhitze des Sommers aus? Er ist in den Bergen und wird nicht vor dem Herbst zurückkommen.« Als ich Ende September nachfragte, sagte er: »Meinst du, du wärest der einzige, der mit seiner Bitte den Stellvertreter Christi belästigt? Da gibt es wichtigere Dinge: Fürsten und Könige benötigen die Dienste Seiner Heiligkeit! Leute wie du können warten!«
Ich entsann mich der Worte, die mir Hans auf den Weg mitgegeben, die ich
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