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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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meinen Fuß auf den Schutt ihrer großen Vergangenheit setzte.
    Es waren aber nicht die Ruinenfelder, die mich am meisten erschütterten, nicht die Steinbrüche, die in den Kolossalbauten der Cäsaren entstanden waren, nicht die zerstörten Aquädukte, die, längst verfallen und ausgedorrt, noch in einzelnen mächtigen Teilen stehen geblieben waren (wie zum Hohn der Wasserverkäufer, die ihre Esel mit den Lasten trüben Tiberwassers unter ihren Bogen hindurchtrieben). Nein, dem heidnischen Rom wollte ich keine Träne nachweinen. Das war zugrunde gegangen am Herrschaftswahn und der Grausamkeit seiner Cäsaren – die Nemesis hatte es ereilt. Auch dass Hirten um diese Ruinen ihre Herden weideten, dass zerlumpte und halb nackte Kinder über Geröll und Unkraut hinwegtollten, erschütterte mich nicht. Selbst dass so manche der hundert Kirchen vom Verfall gezeichnet waren – sogar der Dom, der sich über den Gebeinen des heiligen Petrus erhob, ging mir nicht so an Herz und Nieren wie die Feststellung, die ich machen musste: das mitten in all diesem Niedergang das einzig Unversehrte die Streittürme waren.
    Streittürme – ja, so nennen die Römer diese Bastionen des Hasses und Haders, der zwischen ihren vornehmen Geschlechtern tobt. Über den Ruinen von Hadrians Grabmal haben die Colonna ein Kastell erbaut, das man die Engelsburg nennt, die Crescentier das des Augustus in eine Burg umgewandelt. Die Orsini setzten sich im Pompejustheater fest, die Caetani im Mausoleum der Cäcilia Metelli. Mehr als sechzig solcher roher, klotziger, ungefüger, wie Rachefäuste zum Himmel gereckter Bauwerke gibt es, mit Fenstern so klein und spärlich, dass im Inneren höchstens ein fahles Dämmerlicht die Räume erhellt. (Ich kann das allerdings nicht bezeugen, nur vermuten, da ich niemals Gelegenheit hatte, einen Blick hinter solche Mauern zu werfen.) Und im Schatten dieses zu Stein geronnenen Hasses kann kein Lebenskeim gedeihen.
    Es liegt wie eine Lähmung selbst über der Landschaft. Von den Höhen ihrer sieben Hügel, die nach dem Verfall der Aquädukte nicht mehr mit Wasser versorgt werden können, sind die Römer in die Niederung gezogen, die der Tiber jedoch fast alljährlich mit seinem Hochwasser überschwemmt und zur »Stadt der Sintflut« macht. Und wenn sich die Wasser verlaufen haben, steigt aus den zurückbleibenden Sümpfen das Fieber.
    Ich war kaum in das Weichbild Roms eingeritten, als mich schon eine Schar halbwüchsiger Burschen umringte. Jeder wollte mich in die Herberge seines Padrone bringen, doch während die einen versuchten, mein Pferd am Zügel zu fassen, fielen die anderen über sie her, und die schönste Rauferei war im Gange. Da gab ich meinem Falben die Sporen, um mich der Belästigung dieser Kerle zu entziehen, aber als sie das bemerkten, ließen sie ab voneinander, und einer von ihnen, ein stämmiger, kraushaariger, selbst in Lumpen noch ansehnlicher Bursche stellte sich mir in den Weg. So übergab ich mich denn in Gottes Namen seiner Führung – wusste ich doch sowieso nicht, wo ich mich einquartieren sollte.
    Die Herberge, zu der mich Antonio brachte, lag am Fuß des Kapitolinischen Hügels, unweit der breiten Treppe, die in hundertvierundzwanzig Stufen zur Kirche von Santa Maria in Aracoeli führt. Der Wirt, aber auch seine Gäste, sahen freilich wenig vertrauenerweckend aus – ärmlich gekleidet, unsauber und mit diesem Ausdruck müder Verdrossenheit im Gesicht, die so leicht in sinnlosen Zorn umschlägt. Doch die Aussicht auf das Gotteshaus erfüllte mich mit einer gewissen Beruhigung: Würde man im Angesicht der Madonna die Hände zu Diebstahl und Betrug ausstrecken? Und selbst wenn – ich hatte meine Barschaft in den Saum meines Scholarengewandes eingenäht, das abgetragen genug war, um keinen Verdacht auf Reichtum aufkommen zu lassen. Und ich war froh, eine kleine Kammer, die ich mit niemandem teilen musste, um billiges Geld in dieser Herberge mieten zu können. Ich bin dort auch weder bestohlen noch hintergangen worden. Viel übler spielten mir die fein Gekleideten mit, die in den Vorzimmern des Papstpalastes, in den Amtsstuben der Kurie ihren Sitz hatten.
    Dorthin brachte mich Antonio am nächsten Vormittag.
    Der Tramontana, dieser Wind, der von den nördlichen Gebirgen in die Ebene hinunterfällt, hatte noch nicht die Herrschaft über den Schirokko gewonnen – er setzte nur die unteren Luftschichten in Bewegung, während die oberen noch voll waren mit jener Feuchtigkeit, die der heiße

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