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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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geblieben«, gab er, seine vorherigen Worte Lügen strafend, zurück, »wenn ich nicht von dir hätte Abschied nehmen wollen. Oder kommst du mit mir? Mein Vater hat mir geschrieben. Seine Geschäfte führen ihn wieder nach Italien. Er erwartet mich Anfang Oktober in Venedig.«
    »Ich habe mein Ziel noch nicht erreicht.«
    »Das dachte ich mir. Brauchst du noch Geld?«
    Diesmal schlug ich's ihm nicht ab, und er gab mir eine ansehnliche Summe in schönen Florentiner Goldgulden.
    »Lass dir das Geld in Siebenbürgen von meinem Vater wiedergeben. Aber sag ihm, wofür ich es benötige, sonst hält er mich für einen Verschwender.«
    »Nein, Gyurka, meine Seele, das kann ich nicht. Dein armer Vater ist nicht mehr am Leben.«
    Nun war es heraus, was den Freund eigentlich zu mir geführt hatte. Er wollte bei mir sein, wenn ich diese Nachricht erhielt!
    Was aber hatte diesen von Gesundheit strotzenden, von Tatendrang und Lebensfreude erfüllten Mann schon im Alter von zweiundfünfzig Jahren dem Tod in die Arme getrieben? Auch das wusste Hans Trautenberger.
    »Verunglückt ist er. Beim Falkenfang von einem hohen Felsen, auf den sich die jungen Vögel verflogen hatten, zu Tode gestürzt. Ja, Lieber, der Blitz zerschmettert auch die kräftigste Eiche.«
    Und nach einer Weile: »Wäre es nun nicht doch für dich das klügste, nach Kövár zurückzugehen? Die Ildi ist schwerlich imstande, das Gut allein weiterzuführen, und ihre Großmutter wird ihr kaum noch eine Stütze sein. Sie werden dich beide mit offenen Armen aufnehmen.«
    Sollte ich ihm sagen, dass ich gerade davor am meisten zurückschreckte?
    »Ich kann nicht, Hans. Selbst wenn niemand mir mein Erbe streitig machte: ich will nicht der Ildi und ihren unmündigen Kindern das Ihre schmälern. Doch wenn du mir noch einen Liebesdienst erweisen willst, so nimm dich ihrer an. Such ihnen einen ehrlichen Verwalter. Stehe ihnen mit deinem Rat zur Seite.«
    Das versprach er mir.
    Als er sich von mir verabschiedete, drückte mich noch ein Gedanke. »Wie soll ich dir jemals dein Geld wiedergeben, wenn ich vielleicht niemals in den Besitz eines akademischen Grades komme und mich kümmerlich durchs Leben schlagen muss wie so viele? Nimm es zurück, ich bitte dich! Hättest du mir doch den Tod meines Vaters gleich mitgeteilt! Dann hätte ich es von vornherein ausgeschlagen.«
    »Eben darum. Eben weil ich mir das sagte, habe ich ihn dir verschwiegen, bis die Florentiner in deiner Tasche steckten. Vielleicht hättest du Ausflüchte gebraucht, mir eingeredet, dass du sie nicht benötigst. Nun aber kostet es dich meine Freundschaft, Gyurka, wenn du sie zurückweist.«
    Das war mir denn doch ein zu teurer Preis, und so behielt ich sie.
    Nachdem ich die Goldmünzen sorgfältig in mein Gewand eingenäht hatte, gelobte ich mir, sie nur in der höchsten Not anzugreifen. Konnte ich mir denn nicht Arbeit suchen? Warum hatte ich das nicht überhaupt schon längst getan? Ein junger Mann, der sieben Sprachen sprach, der außerdem kräftige Arme und geschickte Hände hatte, vergeudete seine besten Jahre mit unnützem Hoffen und Harren, nur, weil er keinen Nachweis über seine eheliche Geburt erbringen konnte? Wie, wenn ich einem der Prälaten meine Dienste als Schreiber anböte? Würde er es mir von der Stirn ablesen, dass ich ein Spurius war?
    Nein, von der Stirne nicht, aber vielleicht aus den Schriften der Kurialkanzlei, wo es ja aktenkundig geworden war. Oder sollte ich mich in den Dienst eines hohen Adligen begeben? Es brauchte ja nicht gerade ein Orsini oder ein Colonna zu sein, in deren Händel ich mich weiß Gott nicht hineinziehen lassen wollte. Doch auch die Frangipani, die Pierloni saßen in ihren Streittürmen und taten das Ihre, die unselige Stadt nicht zum Frieden kommen zu lassen. Was erwartete mich also in einem solchen Dienst?
    Eine Woche nach der andern verging in Tatenlosigkeit, ohne dass ich mich zu irgendetwas entschließen konnte.
    In düstere Gedanken verstrickt, wanderte ich eines Tages ziellos durch die Straßen der verödeten Stadt; es war zwar schon November, aber der Tramontana hatte noch einmal sonnige Tage gebracht, »das Sommerchen des heiligen Martinus«. Doch umsonst wehte sein sanftes Säuseln mir schmeichelnd um Stirn und Wangen – das in verzweifelten Schlägen pochende Herz beruhigte er nicht.
    Es gibt Zustände, in denen der Kopf nicht mehr die Herrschaft über die Gliedmaßen ausübt. Meine Beine hatten sich selbstständig gemacht, hatten mich kreuz und quer

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