Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Feinde in die Hände.
Die Männer stürzten sich mit lautem Gejohle auf sie, und sie wäre verloren gewesen, wenn nicht der Anführer seine Kerle mit einem Machtwort verscheucht hätte. Er hob sie trotz ihres Sträubens auf sein Pferd und ließ keinen andern an sie heran.
Dieser Anführer war ein Verwandter der Prinzessin Tökel und hatte daher bei Timur in Gunst gestanden, bis er sie sich einmal durch Gott weiß was verscherzt hatte und vom Hofe verbannt worden war. Die Schönheit seiner Gefangenen nun brachte ihn auf den Gedanken, sie Timur zum Geschenk zu machen und vielleicht dadurch dessen Verzeihung zu erlangen. So wusste er sich bald einen der hölzernen Tragekörbe zu beschaffen, wie sie von reisenden Frauen benützt werden, legte ihn einem Pferd über und ritt selbst stets an Ninos Seite, die so den langen, mühsamen Weg überstand.
Er hatte aber mit seinem Geschenk bei Timur kein Glück. Denn Tökel war es, die ihm entgegen kam, und sie brauchte das Mädchen bloß anzusehen, da war sie entschlossen, ihre ganze weibliche Schläue aufzubieten, um zu verhindern, dass Timur die schöne Georgierin jemals zu Gesicht bekäme. So reihte sie Nino in die Schar ihrer Dienerinnen ein und sorgte dafür, dass ihr Verwandter den Palast schleunigst verließ. Bald stellte es sich heraus, dass Nino ein ungewöhnliches Geschick für feinste Seidenstickereien besaß. Und so musste sie von früh bis abends am Stickrahmen sitzen, ihrer Herrin ein Prachtgewand anzufertigen, um das alle andern Frauen sie beneiden sollten.
Der Zufall wollte es, dass dieses Kleid gerade fertig geworden war, als Timurs Hengst erkrankte. Es bestand aus einem roten, eng anliegenden Unterkleid, über das ein blauer, wallender Überwurf getragen wurde, beide Stücke aus feinster Seide und mit Goldstickerei verziert. Tökel wagte nicht, darin vor Timur zu erscheinen, solange der noch um sein Pferd und um das Vorzeichen für seinen Feldzug bangte. Als aber der Hengst genesen war, legte sie es an, band sich den Kopfputz aus Reiherfedern, der mit kostbaren Juwelen geschmückt war, ins Haar und zeigte sich so ihrem Gemahl.
Timur war in bester Laune. Verscheucht waren die Unmutsfalten von seiner Stirn. Siebzig Jahre war er alt und fühlte sich wie ein Jüngling, der, ehe es in den Kampf ging, noch seine Lust hatte an seiner anmutigen jungen Frau. Er sagte: »So schön warst du noch nie«, und zog sie an sich. Sie verbrachten die Nacht miteinander. Und als sich Tökel am nächsten Morgen aus seinen Armen löste und das Gewand wieder anzog, fragte er: »Wer hat dir dieses Kleid gemacht?«
»Oh«, antwortete sie und wurde verlegen, »eine Sklavin, die ich vor kurzem geschenkt bekam.« »Schicke sie zu mir. Ich will sie belohnen.« »Liebster Herr«, sagte Tökel, »ich habe sie nicht mehr. Denn als ich hörte, dass Kükülli dein Pferd gesund gemacht hat, war mir, als sei dir damit dein Schlachtenglück, ja vielleicht sogar dein Leben verbürgt, und in meiner Freude darüber schenkte ich diese Sklavin deinem neuen Stallmeister.« »Und warum ausgerechnet diese? Sie muss dir doch kostbarer sein als jede andere!«
»Eben deshalb, mein liebster Herr. Denn für dein Leben und dein Glück – was wäre mir zu kostbar?« Durchschaute er sie? Wusste er, dass es eine Notlüge war, die sie aus Eifersucht vorbrachte? Meine Mutter hat das nie erfahren, nur, nach Timurs Tod, diese Geschichte, die der Haremsklatsch ihr zutrug. Und damit die Erklärung, wie es kam, dass sie in aller Eile von ihrem Stickrahmen weg und in das Haus eines Mannes geführt wurde, vor dem sie eine namenlose Angst empfand, die sich dann, als sie ihn erkannte, in ebenso namenloses Glück verwandelte. Mein Vater wollte meiner Mutter sofort die Freiheit schenken und sie vor dem Kasi zu seiner rechtmäßigen Gattin machen. Doch dagegen sträubte sie sich mit aller Kraft. »Ich bin eine Christin«, sagte sie. »Der Kasi kann meine Ehe nicht einsegnen. Lass einen Priester kommen. Ich will gern vor diesen Heiden deine Sklavin bleiben, wenn ich nur vor Gott deine Ehefrau bin.«
Diese Bitte und die Leidenschaft, mit der sie vorgetragen wurde, versetzte meinen Vater in großen Schrecken. »Du weißt nicht, was du verlangst«, entgegnete er, »ich gelte hier als Moslem, und wenn es jemals ruchbar würde, dass ich von einem christlichen Priester meine Ehe hätte einsegnen lassen, würde ich nicht nur als Abtrünniger enthauptet werden, sondern du mit mir, und wahrscheinlich bräche eine Christenverfolgung
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