Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Schach Ruch, dem einzigen noch lebenden Sohne Timurs, ins Einvernehmen kommen, räumte die Stadt, nahm Chalil mit sich fort und lieferte Schad-i Mulk an Schach Ruch aus. Wie es dieser Gattin Chalils nun erging, kannst du dir vorstellen.« »Hat man sie getötet?«
»Das nicht. Aber grausam misshandelt. Ich selbst sah zu, wie sie rücklings auf einem Esel durch den Basar geschleift wurde und die Menge ihr Schmährufe nachschrie und sie mit Kot bewarf. Ihr Hemd war zerrissen, die Schultern blutig von den Geißelhieben, die ihr die Haut zerfetzt hatten.«
»Die Ärmste! Wie konnte man ihr das antun, nur weil sie Timurs Enkel liebte?«
»Darum nicht. Aber deshalb, weil sie Tökel und Saraj Chanum, zwei Witwen des lahmen Timur, hat umbringen und deren abgeschnittene Köpfe in ihrem Schlafzimmer hat aufstellen lassen, um sich am Anblick ihrer toten Feindinnen zu weiden.«
Meine Mutter schlug die Hände vors Gesicht, wie um das Bild nicht sehen zu müssen, das diese Worte ihr vor die Augen gestellt hatte. »O Gott, mein Gott«, rief sie, »wie strafst du die Verächter deines Sohnes damit, dass sie sich selbst zerfleischen!«
Sie ließ mich aus und lehnte sich an meines Vaters Brust. Und er legte die Hand auf ihr schwarzes Haar und sprach auf sie ein. Da drückte ich mich in die dunkelste Ecke des Zimmers und verhielt mich dort so still wie alle Kinder, die etwas Verbotenes tun, denn ich wusste, dass das, was mein Vater mit meiner Mutter nun besprechen würde, nicht für meine Ohren bestimmt war, wollte aber keinesfalls ein Wort davon verlieren, war es doch erregender als jedes Märchen, das ich jemals zu hören bekommen hatte. Erregender, weil es sich nicht um Dinge handelte, die sich vor langer, langer Zeit jenseits der sieben Berge und der sieben Meere im Lande irgendwo zugetragen hatten, sondern um solche, die kürzlich und keine hundert Schritte von uns entfernt geschehen waren.
Hatte ich nicht den Mann, von dem mein Vater erzählte, sogar schreien gehört, als er die Bastonade bekam? Jedenfalls bildete ich es mir ein und sah ihn vor meinen geschlossenen Augen, wie er, die Füße in den Block gespannt, die nackten Sohlen den Stockschlägen preisgegeben, bei jedem Hieb zuckte und sich in seinen Fesseln wand. Und warum wurde er geschlagen?
Weil er seinen Freund erdolcht hatte, den Scheich Nur-ed-Din, meuchlings, bei einer Umarmung. Und warum hatte er das getan? Weil er bestochen worden war von Schah Malik, dem Statthalter von Samarkand und Erzieher unseres jungen Prinzen Ulug Beg, der allerdings seine Gründe hatte, den Scheich aus der Welt zu schaffen, denn Nur-ed-Din hatte gegen ihn rebelliert, und er hatte sich ihm im Felde nicht gewachsen gezeigt.
Aber nun war doch der Vater des jungen Prinzen, Schach Ruch, mit einem großen Heer von Herat herbeigeeilt, hatte die Aufständischen in die Flucht geschlagen und den Scheich zu Friedensverhandlungen gefügig gemacht – warum also wollte Schah Malik das verhindern?
Weil ein toter Feind besser ist als ein unterwürfiger.
Dann aber – was für eine Ursache hatte Schach Ruch, seinem Statthalter zu zürnen, ihn abzusetzen und den Mörder so hart zu bestrafen?
Hart? Milde! Auf Mord steht Todesstrafe. Und Ursache? Nein, einen Vorwand: Ulug Beg wollte seines Vormunds ledig werden und Schach Ruch seinem Sohn gefällig sein. »Und was hat das alles mit meinem Giorgi zu schaffen?« hörte ich meine Mutter rufen.
Es hatte mit mir zu schaffen. Der Vorgesetzte meines Vaters, Achmad ben Nisam, war es gewesen, der dem Schah Malik jenen bösen Rat gegeben hatte. Er war nach Chalils Sturz bemüht gewesen, sich beim neuen Machthaber beliebt zu machen, und da jener Freund Nur-ed-Dins sein Milchbruder war, dessen Habgier er sehr wohl kannte, kam er auf diesen Einfall. Und mein Vater war es gewesen, den er mit einem Beutel voll Gold zu seinem Milchbruder geschickt hatte. (Nein, mein Vater wusste nicht, wozu dieses Gold bestimmt war, sonst hätte er sicherlich alles getan, ihn von diesem bösen Vorsatz abzubringen!)
Nun zitterte Achmad Ben Nisam davor, dass Ulug Beg ihn ebenfalls in den Block spannen lassen könnte. Um dem jungen Herrscher seine Ergebenheit zu beweisen, veranstaltete Ben Nisam ihm zu Ehren ein Fest, und um diesem Fest eine größere Weihe zu geben, sollte sein Sohn und eine Anzahl von Söhnen seiner Untergebenen in die Schar der Gläubigen aufgenommen werden.
»Und da muss mein Giorgi …«
»Ja, Nino, da muss Achmad Ben Kükülli darunter sein.«
Meine Mutter
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