Schatten im Park
gesehen und bin gleich vorne rausgeschlichen.“ Issi kam näher. „Hast du bei deiner Maske was dazugemalt? Das sieht echt gruselig aus!“
Micha begriff sofort. „Verdammt! Ich bin vorhin ausgerutscht und hab in was Blutiges gegriffen. Das lag auf dem Weg zur Terrasse.“
„Das war ja das Unheimliche! Irgendjemand hat einen Klumpen Fleisch gegen mein Zimmerfenster geworfen. Welcher Spinner tut nur so was!“
„Komischer Spaß! Vielleicht war’s Benji. Er ist sauer auf uns, weil wir als Halloweengeister gehen und er nicht. Also, Issi, wo fangen wir an?“
Issi überlegte. „Und wenn wir nur einmal so die Hauptstraße entlanggehen und schauen, was los ist?“
Micha nickte: „Okay, eine Aufwärmrunde. Aber dann suchen wir uns schon ein paar Häuser aus. Einige Leute möchte ich auf alle Fälle schrecken, sonst war die ganze Arbeit umsonst. Und vielleicht kassieren wir auch ein bisschen ab.“
„Geht jeder allein … oder machen wir es gemeinsam?“
Micha beugte sich zu Issi. „Sind wir keine Doppelgänger mehr?
Schau ich jetzt so viel anders aus als du?“
Issis legte ihr Maaru-Gesicht schief. „Ich glaube schon.“
„Ich glaube, du willst nicht allein gehen. Aber macht nichts. Los! Auf ins Vergnügen!“
Kampf!
„Morz! Sag was! Ich hab dich erkannt!“ Benji stellte sich vor den Totenkopfmann hin und boxte ihn gegen den Oberschenkel. Er musste wirklich dringend wohin … Der Schädel grinste Benji an. Die Gestalt rührte sich nicht. War Moritz in letzter Zeit gewachsen? „Morz?“ Benji wurde plötzlich heiß. Das Gespenst, das da vor ihm saß, war gar nicht Morz. Der Schädel war anders, nicht aus Papiermaché, der Totenkopf sah ziemlich echt aus. Und das Kostüm war eine weiße Kutte! Benji wich langsam zurück. Das war irgendein anderer Verkleideter, vielleicht aus seiner Schule. Der konnte ihm keine Angst einjagen. „Und wer bist jetzt du, Knochenmann?“, fragte er halblaut, um sich Mut zu machen. Das Gespenst schwieg und sah auf ihn herab. „Super Kostüm. Na ja, viel Spaß noch heute Abend.“ Benji machte sich auf Richtung Wiese.
Ein leises Krächzen hielt ihn zurück, ein heiseres Wispern in seinem Rücken: „Bleib! Bleib!“ Bevor er das Geräusch hinter sich noch richtig wahrnahm, wurde er schon gepackt und herumgerissen. Er blickte mitten in dunkle, leere Augenhöhlen. Der Knochenmann grinste. Hinter seinen Zahnreihen aber zischte er wütend hervor: „Wenn ich sage, du bleibst, dann bleibst du auch!“ Das war keiner seiner Mitschüler, das war ein Erwachsener in Halloween-Verkleidung – das waren die Kraft und die Wut eines Großen! Benji stieß mit voller Wucht seinen Kopf nach vorn, mitten in die Maske. Seine Stirn traf auf etwas Hartes. Das Gespenst heulte auf, fluchte, rammte Benji das Knie in den Bauch. Er knickte ein und hing kraftlos zwischen den Händen des Angreifers. Der Totenschädel kam ihm ganz nah. Ein grausiger Gestank wallte Benji entgegen, übler Mundgeruch. Jetzt! Mit einem Ruck riss Benji sich los, aber er kam nicht weit. Das falsche Gespenst knurrte etwas Unverständliches und packte ihn an den Schultern, Benji wurde umgeworfen und lag auf dem Rücken mitten im verrottenden Laub. Der Maskierte beugte sich herab und setzte ihm ein Knie auf die Brust. Er krächzte: „Du entkommst mir nicht, hörst du! Kleine Kröte! Hörst du! Du entkommst mir nicht!“
Benji begann zu schreien. Eine derbe Hand klatschte auf sein Gesicht, hielt ihm den Mund zu. Er wehrte sich vergeblich, der Angreifer drehte ihn blitzschnell auf den Bauch und setzte sich auf seinen Rücken. Eine Hand drückte Benjis Kopf gegen den kalten Boden, er bekam keine Luft. „Der will mich umbringen“, dachte er noch.
In dem Moment war der Druck auf seinem Kopf, auf seiner Brust weg. Er war frei! Benji hustete und schluchzte. „Ist er fort? Ist er endlich fort?“ Er drehte vorsichtig den Kopf. Ein Licht blendete ihn, goldgelb, warm. Ein ausgehöhlter Kürbis, der gleich neben ihm lag und ihn anlachte. Benji schrie auf.
„Keine Angst. Alles ist gut!“, sagte eine Stimme wie von weit her. Er kannte diese Stimme, wusste aber im Moment nicht, wem sie gehörte. „Beruhige dich. Der Knochenmann ist fort, der tut dir nichts mehr. Ich habe ihn verjagt.“ Eine Hand legte sich sanft auf seine Schulter. Benji zuckte zusammen. „Bist du okay? Ist alles in Ordnung?“
Die freundliche Stimme brachte Benji beinahe zum Weinen. Das verwitterte Gesicht eines uralten Mannes mit weißem Bart schwebte
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