Schatten ueber Broughton House
Andrew Barchester und Julian Coffey führen müssen.
Wenn sie erst einmal in Broughton House arbeitete, würde sie nur wenig Zeit für derlei Dinge haben. Bedienstete bekamen selten mehr als alle zwei Wochen einen Tag frei, und von einer Hauslehrerin wurde wahrscheinlich erwartet, dass sie ihre Schützlinge selbst dann betreute, wenn kein Unterricht stattfand. Immerhin waren die Zwillinge schon alt genug, sodass sie nicht stetig unter Obhut einer Gouvernante sehen mussten, was Megan ein wenig Hoffnung gab - aber verlassen konnte sie sich darauf nicht.
Die Jungen bestanden darauf, mit nach unten zu kommen, um sich von ihr zu verabschieden, wofür Megan sehr dankbar war. Sie wollte nicht noch mehr Zeit allein mit Theo verbringen. Es war einfach zu beunruhigend.
Während sie die Treppe hinuntergingen, plauderten Con und Alex unentwegt, was Megan und Theo der Notwendigkeit enthob, miteinander sprechen zu müssen.
In der Eingangshalle angelangt, wollte sie sich rasch verabschieden, doch Theo reichte ihr seine Hand, und sie hätte sie schlecht ausschlagen können. Megan stockte der Atem, als seine Finger sich um die ihren schlossen. Seine Handfläche fühlte sich warm an und ein wenig rau, was sie überraschte. Sie hätte nicht erwartet, dass ein Adeliger jemals genug gearbeitet hätte, um Schwielen an den Händen zu haben. Es schien, als habe sich Moreland auch an den praktischen Tätigkeiten seiner Expeditionen beteiligt. Megan hatte sich bislang immer vorgestellt, wie er hoch zu Ross einherritt, gefolgt von einem Heer Eingeborener, die alle Arbeiten für ihn verrichteten.
Er hielt ihre Hand noch einen Moment in der seinen und ließ sie erst los, als Megan ihn fragend anschaute. In seinem Blick gewahrte sie eine gewisse Leidenschaft, die sie mit ebensolchen Gefühlen durchströmte, doch nahm sie auch noch etwas anderes wahr - eine Wachsamkeit, die abermals jenes Unbehagen weckte, das sie bereits verspürt hatte, sobald sie ihm begegnet war.
Ein wenig verunsichert lächelte sie ihn und die Jungen an und wandte sich dann schnell ab, ging zur Tür hinaus und die Straße hinunter, wo sie am liebsten gerannt wäre. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass - so unwahrscheinlich es auch schien -, Theo Moreland wusste, wer sie war.
4. KAPITEL
Theo hörte kaum das Geplapper der Zwillinge, als er noch einen Moment lang an der Tür stehenblieb und Megan Henderson nachblickte. Wer zum Teufel war sie?
Con und Alex waren schon längst wieder nach oben gestürmt, da wandte Theo sich schließlich um und ging gedankenverloren durch die Eingangshalle und hinaus auf die Terrasse. Er lief die breite Treppe zum Garten hinunter und schlug den Weg zur Rosenlaube ein.
Er blieb an der Stelle stehen, wo er Miss Henderson das erste Mal gesehen hatte, und erinnerte sich an den Augenblick.
Ein Gefühl plötzlichen Wiedererkennens hatte ihn durchfahren, sodass er wie angewurzelt stehen geblieben war. Er konnte es kaum glauben, doch da war sie - und sah ihn an. Miss Henderson, die neue Lehrerin der Zwillinge, war jene Frau, die ihm vor Jahren einmal in seinen Träumen erschienen war. Jene Frau, die ihm damals so wirklich schien, bis er begriff, dass sie nur eine Ausgeburt seiner Fantasie und seiner Fieberträume gewesen war.
Nun allerdings wusste er, dass er sie sich nicht nur eingebildet hatte. Es gab sie wirklich ... und sie würde mit ihm unter einem Dach leben.
Theo schüttelte verwirrt den Kopf und ging hinüber zur Laube, wo seine Mutter mit der neuen Hauslehrerin Tee getrunken hatte. Er ließ sich in den Stuhl sinken, in dem Miss Henderson kurz zuvor gesessen hatte. In den Duft der Rosenblüten mischte sich ein schwacher Hauch von Lavendel . .. Megans Parfüm, das noch in der Luft hing.
Er hatte vergessen, wie schön die Frau seiner Träume gewesen war - nein, nicht schön auf die Weise, wie seine Schwester Kyria schön war. Sie war viel eher faszinierend und verführerisch mit ihren wohlgeformten, üppigen Rundungen, die sich unter dem schlichten dunklen Kleid verbargen, ihrem weich sich lockenden, in einem warmen Zimtbraun schimmernden Haar, das immer kurz davor schien, sich aus dem festen Griff der Haarnadeln lösen zu wollen. Und ihr Lächeln ...
Theo ließ seinen Kopf stöhnend in die Hände sinken. Nur zu gut erinnerte er sich an dieses Lächeln - an den sanften, weit geschwungenen Mund mit der fülligen Unterlippe, die eine kleine Kerbe in der Mitte hatte, und das feine Lächeln, das auf betörende, unsäglich küssenswerte
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