Schatten ueber Broughton House
sind eigentlich ganz harmlos. Sie sind nur ein wenig ... “
„Lebhaft?“, schlug Theo vor. „Meinten Sie nicht so, Miss Henderson?“
„Ja. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass die beiden so voller Energie sind“, entgegnete Megan resolut. „Nur muss diese Energie richtig gesteuert werden.“
„Da haben Sie recht, Miss Henderson.“ Thisbe strahlte sie an. „Ich sehe schon, Sie werden bestens mit den Jungs zurechtkommen. Desmond - das ist mein Mann - und ich sind auch stets gerne bereit, bei den Naturwissenschaften auszuhelfen. Meiner Ansicht nach sind die herkömmlichen Lehrbücher auf diesem Gebiet mangelhaft.“
„Um mein naturwissenschaftliches Wissen ist es gewiss ähnlich bestellt“, gestand Megan treuherzig ein. „Ich würde Ihre Unterstützung sehr gern annehmen.“
Anscheinend war dies genau die Antwort, die Thisbe hören wollte, denn abermals griff sie erfreut nach Megans Hand, schüttelte sie kräftig und versprach, so bald wie möglich mit Megan den Lehrplan zu besprechen. Nachdem sie ihren Bruder ein letztes Mal mit einem kurzen Lächeln bedacht hatte, ging Thisbe -wieder tief in Gedanken versunken - rasch weiter.
„Sie und Desmond verstehen die Naturwissenschaften ganz hervorragend zu lehren“, erläuterte Theo. „Nur so alltägliche Kleinigkeiten wie sich an das Abendessen zu erinnern bereiten ihnen Schwierigkeiten. Wenn Sie fachlichen Rat brauchen, können Sie sich jederzeit an sie wenden. Die Zwillinge werden Ihnen ihr Labor zeigen - es liegt in sicherer Entfernung im hintersten Teil des Gartens. Das erste Labor ist nämlich in Flammen aufgegangen, was nicht nur die Bediensteten sehr beunruhigt, sondern auch die Werkstatt meines Vaters ein wenig ramponiert hat.“
„Die Werkstatt Ihres Vaters?“, fragte Megan verwundert. Zwar hätte sie nicht sagen können, was sie glaubte, dass ein Duke den ganzen Tag tat, aber ganz sicher nichts, wozu man eine Werkstatt brauchte.
„Nun ja, es mag Leute geben, die es eher als Rumpelkammer bezeichnen würden“, räumte Theo ein. „Ein kleiner Schuppen, in dem er seine Tonscherben aufbewahrt und all die anderen Kunstschätze, mit denen er sich beschäftigt. Er sichtet und sortiert sie, benennt sie und, wenn möglich, restauriert er sie auch. Die bedeutenderen Stücke bewahrt er natürlich in seinen Kabinetten auf - eines befindet sich hier im Haus, ein weiteres auf unserem Landsitz Broughton Park -, doch den größten Teil lagert er in seiner Werkstatt. “
„Er interessiert sich demnach für .. Antiquitäten?“
„Ja. Wenngleich nur solche der griechischen und römischen Antike. Der Rest der Welt interessiert ihn leider nicht besonders - ebenso wenig wie alles, das seit... oh, seit der Zeit Neros wahrscheinlich, geschehen ist.
„Ah ja.“
„Onkel Bellard hat dafür ein Faible für etwas modernere Zeiten - die Napoleonischen Kriege.
„Onkel Bellard?“, wiederholte Megan.
„Eigentlich Großonkel Bellard Er lebt auch hier. Aber wahrscheinlich wird es eine Weile dauern, bevor Sie ihm begegnen denn er ist ein wenig schüchtern und bleibt meistens in seinen Gemächern im Ostflügel.“ Theo betrachtete sie amüsiert. „Keine Sorge, mehr Hausbewohner gibt es derzeit nicht. Das ist recht ungewöhnlich, denn während der Saison kriecht sonst immer aus allen Ecken und Winkeln Verwandtschaft hervor und nistet sich bei uns ein. Glücklicherweise beehrt uns Lady Rochester dieses Jahr nicht mit ihrer Anwesenheit - sie hat beschlossen, stattdessen ihre Schwiegertochter zu plagen denn andernfalls müsste ich Sie warnen, ihr unter allen Umständen aus dem Weg zu gehen.“
Megan konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Theos Lächeln war einfach ansteckend. Und als sie ihn anschaute, verspürte sie abermals jenen seltsamen Aufruhr tief in sich. Es war eine wunderliche und beunruhigende Empfindung, und sie konnte sich nicht erklären, warum dieser Mann solche Gefühle in ihr weckte - wusste sie doch selbst kaum, was sie empfand.
Doch ganz gewiss sollte sie es nicht ausgerechnet für ihn empfinden, denn er war seit zehn Jahren ihr erklärter Feind.
Sie legte sich die Hand auf den Bauch, als wolle sie so ihrem inneren Aufruhr Einhalt gebieten.
„Ich werde Ihnen nun die Räume der Kinder zeigen“, meinte Theo. „Leider müssen wir dazu recht weit hinaufsteigen. Eigentlich teilt Mutter nicht die weitverbreitete Auffassung, dass Kinder einen eigenen, vom Rest der Familie getrennten Bereich haben sollten. Angesichts ihrer vielen
Weitere Kostenlose Bücher