Schatten ueber Broughton House
erinnerte sich, seine Hand auf ihrem Bein gespürt zu haben, und daran, wie er ihre Röcke zusammengerafft hatte. Seine Berührung hatte sie alles andere vergessen und nur noch die wilde, berauschende Leidenschaft spüren lassen, die sie heiß durchströmte. Aber er hatte die Gelegenheit genutzt, in ihre Rocktasche zu fassen und den Schlüssel herauszuholen.
Und wie sie ihn nun so ansah, gab sein bedeutungsvoller Blick Megan Gewissheit. Er hatte sie nur geküsst, um an den Schlüssel zu kommen!
Sie errötete zutiefst und empfand Beschämung und Wut zugleich. Er hatte sie getäuscht, hatte ihr eigenes Verlangen gegen sie ausgespielt, um zu bekommen, was er wollte. Und sie ... wie dumm sie gewesen war, sich ihrer Leidenschaft hinzugeben und zu glauben, dass auch er sie begehrte!
Megan glaubte, an ihrem Zorn zu ersticken. Am liebsten würde sie seiner Familie sogleich enthüllen, was für ein Schurke er war und was er vor zehn Jahren getan hatte.
Aber sie konnte warten - bis sie Beweise hatte, ihre Behauptung zu belegen.
Mit einem Ruck wandte sie sich von ihm ab und folgte dem Duke, sorgsam darauf bedacht, dass stets Anna und Reed zwischen ihr und Theo gingen. Sie würde ihn nicht einmal mehr ansehen, damit er ihr nicht anmerkte, wie sehr er sie aus der Fassung gebracht hatte.
Der Duke of Broughton schloss die an die Bibliothek angrenzende Tür auf, trat in das Kabinett und machte die Gasbeleuchtungen.
„Oh!“, stieß Megan hervor und sah sich staunend um.
Sie hatte zwar gewusst, dass der Duke ein leidenschaftlicher Sammler war, doch eine solche Fülle hatte sie nicht erwartet. Auf unzähligen kleinen Tischen und Sockeln standen Statuen, Vasen und tönerne Gefäße. An den Wänden verliefen Regale, teils mit Glastüren versehen und verschlossen. Megan kannte sich mit griechischer Kunst zwar nicht aus, aber dass die Sammlung des Dukes beeindruckend war, erkannte sie auf den ersten Blick.
„Das ist ja unglaublich meinte Anna und sprach Megans Gedanken aus.
Der Duke strahlte, und sein liebenswürdiges Gesicht leuchtete vor Freude. „Und das ist nur ein Teil meiner Sammlung. Der Rest ist in Broughton Park, wo ich natürlich viel mehr Platz habe.“
Megan ging andächtig in dem kleinen Kabinett umher und sah sich die verschiedenen Kunstschätze aufmerksam an. Gerne öffnete der Duke auch die Glasvitrinen und zeigte ihr einige der kleineren und wertvolleren Gegenstände, die er darin aufbewahrte. Megan überlegte, ob etwas davon wohl nicht aus Griechenland, Mazedonien oder Italien, sondern aus Südamerika stammen könnte.
Leider musste sie sich eingestehen, dass sie über südamerikanische Kunst noch weniger wusste als über griechische. Aber sicher würde ein solches Objekt unter all den Schmuckgegenständen, Schalen und Krügen der klassischen Antike auffallen.
Ihr fiel indes nichts auf.
Eigentlich hatte Megan auch nichts anderes erwartet, denn letztlich hatte ja Theo den Anstoß zu dieser kleinen Führung gegeben. Er würde sie wohl kaum mit der Nase auf etwas stoßen, das seine Schuld belegen könnte.
Megan warf einen letzten prüfenden Blick auf den Schmuck - Ketten aus Glasperlen und klobigen Halbedelsteinen, geschnitzte Broschen und kunstvoll geschmiedete Armreifen. Enttäuscht wandte sie sich ab und begegnete Theos Blick.
Offensichtlich hatte er sie beobachtet. Sie fragte sich, was er zu entdecken hoffte, denn er konnte doch kaum wissen, wer sie war - oder? Sicher fragte er sich, weshalb sie den Schlüssel an sich genommen hatte. Hielt er sie vielleicht für eine Diebin, die etwas aus dem Sammelkabinett stehlen wollte?
Bei der Vorstellung empfand Megan äußerste Empörung. Natürlich wäre dies eine nur allzu verständliche Schlussfolgerung, aber für eine Diebin gehalten zu werden, verletzte sie trotzdem.
Sie wandte sich an den Duke, der sie und Anna so erwartungsvoll anschaute wie ein stolzer Vater, der ihnen soeben seinen Nachwuchs gezeigt hatte.
„Es ist wahrlich unglaublich, Sir“, sagte sie aufrichtig. „Ich habe nie zuvor eine so beeindruckende Privatsammlung gesehen.“
Broughton strahlte über das ganze Gesicht. „Danke, meine Liebe. Aber ich habe auch einige Jahre damit zugebracht, dies alles zusammenzutragen. “
„Es ist herrlich“, meinte Anna. Als sie zu Megan hinüberschaute, verdunkelten sich ihre Augen kaum merklich.
Wie auch an jenem Tag, da sie Anna kennengelernt hatte, erschauerte Megan leicht. Anna hatte eine Art, sie anzusehen - nicht immer, nur
Weitere Kostenlose Bücher