Schatten ueber Broughton House
Schlüssel eingesteckt hatte, wie sollte er wissen, um welchen Schlüssel es sich handelte? In der Schublade hatten einige gelegen.
Der Duke sah auf und betrachtete Megan. „Oh, tatsächlich? Interessieren Sie sich denn für griechische und römische Kunst, Miss Henderson?“
„Ja, durchaus“, log Megan. Angesichts der erfreuten Miene des Dukes schien es ihr unmöglich, etwas anderes zu sagen. „Ich ... ich fürchte allerdings, nicht viel darüber zu wissen.“ „Du könntest Miss Henderson nach dem Abendessen dein Kabinett zeigen“, schlug Theo vor.
„Aber ja, hätten Sie wohl Lust darauf, Miss Henderson?“ „Danke, gern“, erwiderte Megan beklommen. „Wie aufmerksam von Ihnen.“
„Sie werden feststellen, dass die Sammlung in ihrer Art und von ihrem Umfang her recht einmalig ist“, fuhr der Duke ganz beglückt fort und fing an, einige seiner Stücke zu beschreiben.
Megan hörte kaum, was er sagte, wenngleich sie die ganze Zeit interessiert lächelte. Während sein Vater sprach, spürte sie Theos Blick auf sich. Verstohlen sah sie zu ihm hinüber und sah Triumph in seinen Augen funkeln.
Nun war sie sich gewiss, dass er sie den Schlüssel aus dem Schreibtisch hatte nehmen sehen. Sie hatte ihn unterschätzt. Ganz ohne dem Duke von den nächtlichen Geschehnissen berichten zu müssen, hatte Theo es geschickt so angestellt, dass sein Vater das Fehlen des Schlüssels bemerken würde. Dann würden Fragen gestellt werden, und natürlich fiele der Verdacht auf Megan, lebte sie doch erst seit Kurzem im Haus.
Wut stieg in ihr auf, die stärker war als ihre Aufregung, und ohne mit der Wimper zu zucken begegnete Megan Theos undurchdringlichem Blick.
Immerhin - der Schlüssel war nicht in der Tasche ihres Kleides und auch nicht auf ihrem Zimmer. Das wusste sie mit Sicherheit, denn sie hatte gründlich danach gesucht. Sollte Theo vorschlagen, das Haus zu durchsuchen, würde man nichts bei ihr finden.
Dennoch war Megan der Appetit vergangen, und sie musste jeden Bissen mühsam hinunterzwingen. Schier endlos schien sich das Abendessen in die Länge zu ziehen. Während sie vorgab, dem Tischgespräch interessiert zu folgen, auf die Bemerkungen anderer hin lächelte und nickte und sogar antwortete, wenn sie gefragt wurde, kochte sie innerlich vor Wut, und ihr Zorn auf Theo wurde mit jedem Moment größer.
Hätte er wahren Mut, dachte sie aufgebracht, so hätte er mich gestern Nacht zur Rede gestellt. Stattdessen hatte er sich Küsse von ihr gestohlen und es so eingerichtet, dass sein Vater sie entdeckte. Natürlich hätte sie sich denken können, dass er genau die Sorte Mann war, die so etwas tat. Wer wüsste besser als sie, zu welchen Untaten er fähig war?
Sobald das Essen endlich vorüber war, führte der Duke Megan zu seinem Studierzimmer. Anna, die die Sammlung auch noch nicht gesehen hatte, und Reed begleiteten sie, und Theo folgte ihnen scheinbar zufällig. Megan konnte seinen Blick auf sich spüren, doch sie würde ihm gewiss nicht den Gefallen tun, ihn anzuschauen.
„Ich muss erst den Schlüssel holen“, erklärte ihr der Duke, als sie sein Studierzimmer erreicht hatten und er kurz darin verschwand.
Megan wartete voller Anspannung, sah ihn hinter den wuchtigen Schreibtisch treten und die linke obere Schublade aufziehen. Er nahm den Schlüssel heraus und schloss die Lade wieder. Megan war fassungslos.
Woher hatte er den Schlüssel? Wie war er zurück in den Schreibtisch gelangt?
Sie fuhr herum und sah Theo fragend an. Er erwiderte ihren Blick schweigend, und abermals spielte ein leicht belustigtes Lächeln um seine Lippen.
Megan schloss daraus, dass er keinen Moment daran gezweifelt hatte, dass der Schlüssel dort sein würde. Er hatte das alles nur inszeniert, um ihr zu zeigen, dass er genau wusste, was sie getan hatte - und der Schlüssel wieder im Besitz seines Vaters war.
Wie war das möglich? Der Schlüssel muss mir aus der Rocktasche gefallen sein, dachte sie, und Theo hat ihn gefunden, nachdem ich das Studierzimmer verlassen habe, und ihn in den Schreibtisch zurückgetan. Argwöhnisch schaute sie in Theos funkelnde grüne Augen. Der helle Schimmer, den sie schon einmal zuvor erblickt hatte, war abermals dort - leidenschaftlich und verführerisch. Und als sein Blick sich langsam auf ihre Lippen senkte, wurde es ihr schlagartig bewusst: Theo hatte ihr den Schlüssel entwendet!
Sie erinnerte sich daran, wie er sie geküsst hatte, bis ihr ganz schwindelig und benommen zumute gewesen war. Sie
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