Schatten über dem Paradies (German Edition)
war, war es so voller Leben. Wenn sie sang, wenn sie abends im Musikzimmer arbeitete ... Wenn die Wälder still waren und bevor der Mond aufging, sang sie Wortfetzen, Sätze, Phrasen zu einigen Klavieruntermalungen, während sie komponierte. Lange bevor sie fertig war, war er schon rastlos vor Verlangen. Er wunderte sich, wie sie Stunde um Stunde, Tag um Tag von solcher Leidenschaft und von solchen Gefühlen angetrieben arbeiten konnte.
Es war ihre Disziplin, entschied Cliff. Er hatte nicht erwartet, dass sie in ihrer Musik so diszipliniert sein würde. Ihr Talent hatte er immer bewundert, aber in den wenigen Tagen, die er jetzt bei ihr lebte, hatte er erfahren, dass sie sich in den Arbeitsstunden hart antrieb.
Ein Kontrast, fand Cliff. Es war ein unglaublicher Kontrast für die Frau, die in diesem großen, staubigen Haus von einer Tätigkeit zur anderen sprang. Sie ließ Wände halb tapeziert, Decken halb gestrichen. Kisten und Kartons standen überall herum, von denen die meisten noch nicht angerührt worden waren. Ihre Arbeit am Haus war präzise, sogar kreativ bis zu dem Punkt, an dem sie aufhörte und sich mit etwas anderem beschäftigte.
Er hielt vor dem Haus und schaute sich um. Das neue Gras war wie ein grüner Schatten auf der Erde. Maggies Petunien waren ein leuchtender Farbfleck.
Als er aus dem Pick-up stieg, war keine Musik zu hören. Cliff runzelte die Stirn, während er die Stufen zum Haus hinaufstieg. Maggie saß um diese Zeit sonst immer am Klavier. Er warf einen Blick auf die Uhr. Halb sechs. Mit einem unguten Gefühl drehte er den Knauf an der Eingangstür.
Natürlich nicht abgeschlossen, dachte er verärgert. Er hatte ihr an diesem Morgen eine Notiz hinterlassen, dass heute niemand von seinen Leuten hier sein würde und sie die Türen verschließen solle. Kein Verstand, diese Frau, dachte er, während er die Tür aufdrückte. Wieso bekam sie es nicht in ihren Kopf, dass sie hier völlig allein war? Zu viel war geschehen, und allein weil sie in diesem Haus wohnte, steckte sie mitten in diesem Geschehen.
Still. Zu verdammt still, erkannte Cliff, als sein Ärger schwand und Sorge den Platz einnahm. Der Hund bellte nicht. Dem Haus haftete dieses hallende, leere Gefühl an, das fast jeder spürte, aber niemand erklären konnte. Obwohl ihm sein Instinkt sagte, dass niemand hier war, ging er von Raum zu Raum und rief nach Maggie. Ihr Name schallte von den Wänden zurück, und seine eigene Stimme verspottete ihn.
Wo ist sie, zum Teufel, fragte sich Cliff, als er zwei Stufen auf einmal nahm, um im ersten Stock nachzusehen. Er gab nicht gern zu, dass er Panik fühlte, bloß weil er in ein leeres Haus heimkam, doch genau das war es, was er fühlte.
„Maggie!“ Verzweifelt suchte er den ersten Stock ab, ohne zu wissen, was er erwartete oder überhaupt finden wollte. Er hatte noch nie diese rohe, ursprüngliche Angst erlebt. Er wusste nur, dass das Haus leer und sein Mädchen verschwunden war. Ein Paar von ihren Schuhen stand vergessen mitten auf dem Schlafzimmerteppich. Eine Bluse war nachlässig über einen Sessel geworfen. Die Ohrringe, von denen er am Vorabend gesehen hatte, wie Maggie sie abnahm, lagen noch immer auf der Kommode neben einer Bürste mit Silbergriff und den eingravierten Initialen ihrer Mutter. Der Raum war von ihrem Duft erfüllt. Das war er immer.
Als er die neuen Kacheln im Bad sah, versuchte er sich zu beruhigen. In ihrer unordentlichen Art hatte sie ein neues Projekt gestartet. Aber wo, zum Teufel ...
Dann entdeckte er im Waschbecken etwas, bei dem sein Herz stehen blieb. Auf dem weißen Porzellan leuchteten drei Blutstropfen. Er starrte darauf, während die Panik ihn packte, alles in seinem Kopf verschwimmen ließ und seine Haut zu Eis verwandelte.
Im Freien begann irgendwo ein Hund zu bellen. Cliff jagte die Treppe hinunter, ohne sich bewusst zu werden, dass er immer wieder ihren Namen rief.
Er sah sie, sobald er durch die Hintertür ins Freie stürzte. Sie kam langsam aus dem Wald. Der Hund umtanzte ihre Beine, hüpfte und schnappte. Sie hielt die Hände in die Taschen geschoben, den Kopf gesenkt. Cliff nahm jedes Detail auf, während die Mischung aus Angst und Erleichterung seine Beine schwach werden ließ.
Er lief auf sie zu, sah sie den Kopf heben, rief sie noch einmal. Dann hielt er sie fest in den Armen, schloss die Augen und fühlte nur noch sie, warm und unversehrt und in Sicherheit. Er war so von Emotionen überwältigt, dass er nicht bemerkte, wie starr und
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