Schatten ueber Hollywood
Puderquaste war also ein Glücksbringer und eine Botschaft zugleich. Er ärgerte sich maßlos, dass er das geschmacklose Ding nicht genauer untersucht hatte. Oder war da nicht mehr zu entdecken gewesen als das, was er entdeckt hatte? Er beschloss, sich vorerst dumm zu stellen. Vielleicht gab der Fremde noch mehr Informationen preis. »Was denn für ein Talisman? Was für eine Botschaft?«
Aber diesmal hatte er sich verrechnet. Der Fremde antwortete nicht. Stattdessen hörte Justus, wie eine Tür ins Schloss fiel und etwas klickte. Das Gefühl, beobachtet zu werden, verschwand, ebenso der muffige Geruch verqualmter Kleidung. Er war allein.
Sofort prüfte er seine Fesseln. Er war schon häufiger gefesselt gewesen und immer hatte er es geschafft, sich zu befreien – oder von Peter und Bob befreit zu werden. Aber sein Entführer verstand etwas vom Fesseln. So sehr Justus auch zog und zerrte und die Hände verdrehte, das Seil lockerte sich keinen Millimeter. Und da er noch immer in seinem Schlafanzug steckte, hatte er auch kein Taschenmesser dabei, das ihm hätte helfen können. Schließlich gab er auf. Offenbar musste er warten, bis der Unbekannte zurückkam. Also verlegte er sich am besten aufs Denken.
Wer war dieser Unbekannte? Er war kräftig genug, Justus unbemerkt aus dem Haus seiner Tante und seines Onkel zu entführen. Und er war auf jeden Fall ein starker Raucher. Nach dem ersten Schreck hatte Justus auch erkannt, warum die Stimme so schrecklich verzerrt war: sein Entführer benutzte ein Kehlkopfmikrofon.
Wenn der Mann wusste, dass die drei ??? die Puderquaste gefunden hatten, war er entweder in der Nähe gewesen oder hatte die Aufzeichnungen der Kamera gesehen. Und er wusste mehr über den Fund als alle anderen – aber nicht alles. Er wusste, dass es eine Botschaft gab – aber er kannte ihren Inhalt nicht. Und warum hatte er Justus entführt?
Das war einfach. Er wusste nichts von der Zentrale. Also hatte er vermutet, dass Justus die Puderquaste in seinem Zimmer aufbewahrte. Und als er sie nicht gefunden hatte, hatte er Justus eben betäubt und mitgenommen … aber nein, das konnte nicht stimmen. Er hatte Chloroform mitgebracht. Das bedeutete, dass er von vornherein geplant hatte, Justus zu betäuben.
Dieser Gedanke gefiel Justus überhaupt nicht. Aber seine Angst hielt sich in Grenzen. Der Fremde wollte etwas von ihm. Er würde ihm nichts antun. Und da er so großen Wert darauf legte, weder gesehen noch erkannt zu werden, hatte er auch vor, Justus wieder freizulassen, sobald er hatte, was er wollte.
Pech nur, dass Justus keine Ahnung hatte, wie die Lösung des Rätsels lautete. KCY? Aber das erschien ihm zu einfach. Er konnte nur darauf hoffen, dass Peter und Bob die Puderquaste noch einmal genauer unter die Lupe nahmen.
Und er hatte noch immer Durst.
Er seufzte, machte es sich so bequem wie möglich und wartete.
Die Botschaft des Talismans
Peter und Bob waren nicht allzu beunruhigt, als Justus nicht in der Schule auftauchte. So etwas kam schon einmal vor – allerdings war es ungewöhnlich, dass er auf seine Lieblingsfächer Mathematik, Chemie, Physik und Staatsbürgerkunde verzichtete, die für alle anderen eher eine gnadenlose Qual bedeuteten. Peter und Bob litten tapfer den ganzen Vormittag lang und flüchteten, sobald die Glocke klingelte.
Sie lehnten ihre Farräder an den Zaun zum Schrottplatz und krochen durch das Grüne Tor. Die Werkstatt sah noch genauso aus, wie Peter sie am Abend verlassen hatte. Munter stieß Bob die Tür zur Zentrale auf. »Na, Just, hoffentlich hast du dich amüsiert, während wir Todesqualen ausgestanden …« Er stockte. »Justus?«
Die Zentrale war leer. Der Computer ausgeschaltet und kalt. In der Dunkelkammer war niemand. Im Kühlschrank stand noch ein Stracciatellajoghurt, der nie überlebt hätte, wenn Justus innerhalb der letzten zwölf Stunden auch nur einen Fuß in die Zentrale gesetzt hätte. Ratlos sahen Peter und Bob sich um. »Das gibt’s doch nicht«, sagte Peter. »Ist er vielleicht krank?«
Sie verließen die Zentrale durch das Kalte Tor. Titus Jonas war nirgends zu sehen und der alte Pickup war weg. Nur Justus’ Tante Mathilda stand im Büro und telefonierte. Als sie Bob und Peter sah, winkte sie ihnen zu und beendete das Gespräch, dann kam sie nach draußen. »Hallo, ihr beiden! Gut, dass ihr kommt. Da hinten ist ein ganzer Haufen alter Absperrgitter, die entrostet und neu lackiert werden müssen. Und sagt Justus, es hat keinen Sinn, sich vor
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