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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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haben,
warum er ihn zum Hoflakaien gemacht hat. Doch er ist und bleibt ein Idiot.«
    »Sehen Sie, genau
das ist es. Er mag die Noten gestohlen haben. Mehr ist jedoch nicht geschehen.
Lassen Sie es auf sich beruhen.«
    »So etwas kann man
nicht auf sich beruhen lassen. Ich verstehe in mancherlei Hinsicht nicht, was
Seine Majestät dazu gebracht hat, bestimmte Leute an den Hof zu holen. Ich
versuche nachzuvollziehen, welche Aufgaben dieser Freiberger hatte. Er versah
seinen Dienst im Schloss. Aber man schickte ihn auch herum. Zu den
Kammerherren, die in der Stadt wohnen. Man gab ihm vertrauliche Botschaften in
die Hand … Niemand durchschaut wirklich die Absichten des Königs, obwohl
Seine Majestät sich gern selbst als Diener des Staates hinstellt. Doch was ist
denn der Staat, Herr Musikus? Können Sie mir eine Antwort auf diese Frage
geben?«
    »Der Staat? Herr
Weyhe, Herr Rat … Ich denke, wir sprechen über den Diebstahl von Noten …«
Quantz suchte nach Worten. Schon wieder hatte es dieser junge Mensch geschafft,
das Gespräch auf Themen zu bringen, die fast schon philosophischer Natur waren.
Und seine Reden mündeten immer wieder in rhetorische Fragen. Das hatte er sich
wohl auch von Seiner Majestät abgeschaut.
    » Der
Staat bin ich . Das hat der französische König gesagt. Unser König will
aber nicht selbst der Staat, sondern Diener des
Staates sein. Der höchste Diener desselben. Aber was bleibt dann? Was stellt
den Staat dar?«
    »Ich weiß es nicht,
Herr Rat … Und ich hatte auch nicht die Absicht –«
    » Wir sind es«, sagte Weyhe. »Wir. Das Volk. Oder nicht? Aber dient der König uns? «
    Quantz wollte
einwenden, dass er nicht für solche Diskussionen hergekommen sei, dass er gehen
wollte. Ihm wurde heiß bewusst, was Weyhe da eben gesagt hatte. Es klang wie … eine
Kritik am König. Eigentlich sogar wie Majestätsbeleidigung. Dabei hatte der Rat
nur einen Gedanken weitergeführt, wie es Seine Majestät selbst manchmal machte.
    »Wie kann Seine
Majestät etwas beherrschen, dem er selbst dient, Herr Musikus? Können Sie mir
das erklären?«
    »Ich hoffe, Sie
meinen die Frage nur rhetorisch«, sagte Quantz. »Sie werden von mir keine
Äußerung hören, die Zweifel an unserem König zum Ausdruck bringt.«
    »Rhetorisch oder
nicht rhetorisch. Gedanken sind Gedanken. Ich bin ein treuer Diener Seiner
Majestät, aber manchmal glaube ich, man muss diesen König vor sich selbst
schützen.«
    »Wie bitte?« Quantz
fühlte sich wie auf glühenden Kohlen. Er wollte sofort hier weg. In einem
Schloss hatten die Wände Ohren. Wollte ihn Weyhe in eine Falle locken?
Lauschten bezahlte Zeugen an der Tür, die ihn später des Verrats beschuldigen
würden? Sollte er in diese eigenartigen Gedanken einstimmen, um dann dafür
bestraft zu werden? »Wenn wir nicht mehr über Andreas sprechen, dann ziehe ich
es vor, zu gehen, Herr Rat.«
    Weyhe stand auf,
schob den Sessel zurück und ging ein paar Schritte hinter dem Schreibtisch auf
und ab. »Aber wir sprechen doch über ihn, Herr Quantz, merken Sie das nicht?«
    »Ehrlich gesagt ist
es mir nicht aufgefallen.« Quantz wollte sich ebenfalls erheben, doch Weyhe
legte ihm die Hand auf die Schulter und hinderte ihn daran. Es war die
fettverschmierte Hand, mit der der Rat den Hühnerschenkel gehalten hatte.
    »Seine Majestät hat
zwei Leidenschaften«, sagte Weyhe. »Auf der einen Seite Kunst, Musik,
Literatur, Philosophie. Geist. Auf der anderen das Wohl des Staates. Lassen wir
dahingestellt, was Seine Majestät unter dem Staat versteht. Aber er braucht
Soldaten. Er braucht Diplomaten. Er braucht Generäle. Er braucht Berater. Er
führt einen ständigen Krieg.«
    »Krieg? Herr Weyhe,
der Krieg ist vorbei. Seit Jahren schon. Ich hoffe, das ist Ihnen nicht
entgangen.«
    Weyhe beugte sich
nach vorn und stützte die Arme auf die Tischkante. Dabei fixierte er Quantz.
»Es ist vorbei, dass Soldaten aufeinander losgehen. Es ist vorbei, dass sie
sich in Schlachten gegenseitig abschießen. Vorerst. Jahrelang hat unser König
gegen die Kaiserin in Wien gekämpft. Im Jahr, als er König wurde, hat er damit
begonnen. Er hat es gewagt, den Feldzug im Dezember zu führen und sich und
seine Soldaten damit in unmenschliche Strapazen gestürzt. Und er ist nach all
den Kämpfen siegreich gewesen. Er hat das reiche Schlesien zu einem Teil von
Preußen gemacht. Nun scheint alles vorbei zu sein, doch hinter den Kulissen
schwelt dieser Krieg weiter. Glauben Sie, Habsburg wird den Verlust

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