Schatten über Sanssouci
nicht zu Fuß zum
Schloss.
Die Soldaten kamen
näher. Andreas musste sich verbergen. In dem Abbruchhaus wurde nicht
gearbeitet. Es bot ein gutes Versteck, in dem er vielleicht lange sicher sein
konnte. Bis zum Abend, wenn es sein musste. Und noch darüber hinaus, eben bis
er Herrn Quantz wieder besuchen konnte.
Andreas’ Magen
rumorte vor Hunger. Vielleicht erhielt er ja dann bei dem Herrn Quantz auch
etwas zu essen.
Er drückte sich in
den Hauseingang. Die Tür stand offen. Innen lagen Bretter, Balken und Reste von
herausgebrochenen Wänden durcheinander. Es roch nach Staub und Schimmel. Weiter
hinten führte eine Treppe nach oben. Vorsichtig stieg Andreas Stufe um Stufe hinauf
und erreichte eine Dachstube, deren kleines Fenster auf den Kanal hinausging.
Von hier hatte man das Geschehen auf der Straße und das Haus von Herrn Quantz
auf der anderen Seite des Kanals genau im Blick.
Etwas raschelte in
der Ecke. Eine Maus lief die Wand entlang und verschwand zwischen den Balken.
Auf der anderen Seite türmten sich Holzreste, die wahrscheinlich von einem
zusammengebrochenen Schrank übrig geblieben waren. Sie sollten sicher mitsamt
dem Bauschutt abtransportiert werden. Spätestens wenn der Sommer vorüber war,
würden sie als Feuerholz Verwendung finden.
Andreas betastete
die zerbrochenen Bretter. Dahinter lag noch alter Hausrat, verrottete Bücher
und Reste von Papier, die von schwarzem Schimmel bedeckt waren. Sogar ein
ausgetrocknetes Tintenfass und einige alte Federn konnte Andreas erkennen.
Eine Wolke aus Staub
und Schmutz löste sich, als Andreas Packen von Blättern und das Schreibzeug aus
dem Holzhaufen zog. Er riss Teile der Bücher in kleine Streifen und achtete
sorgfältig darauf, nur die weißen, unbeschrifteten Kanten herauszulösen. Bald
hatte er die richtige Anzahl beisammen. Jetzt galt es, Tinte herzustellen.
Er spuckte zehnmal
in das Fass, nahm eine der alten Federn und rührte in dem gläsernen Behälter
herum. Die Flüssigkeit, die er auf diese Weise gewann, war wässrig, die Federn
abgenutzt und viel zu breit, doch er würde damit schreiben können. Er schloss
die Augen und konzentrierte sich. Innerlich war er nun von Zahlen und Tönen in
perfekter Harmonie umgeben. Eine große Ruhe überkam ihn.
Seine Hand zitterte
nicht, als er zum Schreibzeug griff und jedes der kleinen Zettelchen mit fünf
regelmäßigen Linien bedeckte.
Er warf einen Blick
auf das Haus von Herrn Quantz. Ob er mittlerweile zurückgekommen war?
Doch das war nicht
mehr wichtig.
Andreas stellte sich
das, was er schreiben wollte, bis ins letzte Detail vor. Dann fing er an. Zügig
und ohne einen Fehler zu machen, begann er zu schreiben.
Er hatte keine
Ahnung, wie viele Stunden vergangen waren, als er fertig war. Er erwachte wie
aus einem Traum, und nun keimte wieder Unruhe in ihm auf, denn jetzt lag der
schwierige Teil vor ihm.
Das Ergebnis der
letzten Stunden sah nach nichts aus. Lauter Zettelchen, jedes einzelne so
breit, dass es ein Notensystem aufnehmen konnte, und kaum einen Finger lang,
mit je zwei Noten darauf – was war das schon? Und doch steckte darin eine ganze
Welt. Wenn man in der Lage war, sie zu erkennen.
Er stapelte die
Papierchen übereinander und rollte sie zusammen. Langsam stieg er die Treppe
hinunter, lief aus dem Haus und überquerte den Kanal über die grüne Brücke.
Kurz darauf hatte er
das Papier gegenüber bei Herrn Quantz verstaut. Schon auf dem Rückweg erfasste
ihn Erleichterung. Bevor er wieder das Abbruchhaus betrat, sah er sich um,
damit ihn niemand sah. Schnell stieg er wieder in die Dachstube und setzte sich
so, dass er Herrn Quantz’ Haus gegenüber im Blick hatte.
Kutschen kamen
herangefahren und hielten vor dem Haus. Die Musiker, die im königlichen Konzert
spielten, stiegen aus. Andreas beobachtete, wie Herr Quantz mit den Männern
nach draußen kam und die Kutschen weiterfuhren. Er war also doch zwischendurch
nach Hause gekommen, als Andreas gearbeitet hatte. Er würde ihn also wie auch
sonst abends besuchen. Die Nacht war ohnehin viel besser geeignet.
Stille legte sich
über den Kanal und über das Haus.
Ein Knarren, das von
der Treppe kam, ließ Andreas zusammenfahren. Schritte näherten sich. Sie kamen
die Treppe herauf. Andreas sprang auf. Wie sollte er hier hinauskommen? Auf
dieser Seite des Kanals stand kein Baum so günstig, dass er daran
hinunterklettern konnte. Der Fluchtweg war abgeschnitten.
Andreas kauerte sich
in eine Ecke. Die Schritte verstummten. Er schloss
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