Schatten über Ulldart
noch ein Platz an der reichlich gedeckten Tafel frei wäre.« Er nickte in Richtung der massiven Holztür, in der ein dicker Knabe und ein riesiger Mann standen. »Er ist weit gereist und entsprechend hungrig.«
Der Lärm im Raum erstarb langsam, alle schauten auf die Neuankömmlinge.
Der Gouverneur riss sich vom Anblick des beeindrukkenden Muskelberges auf zwei Beinen los, stand auf und eilte zum Eingang.
»Aber selbstverständlich, lieber Harac Vasja. Ich biete Euch meinen Stuhl an, da Ihr ohnehin bald anstatt meiner regieren werdet. Natürlich könnt Ihr mit meiner Zusammenarbeit rechnen, bis Ihr in alle Angelegenheiten eingeweiht seid.«
Jukolenko hielt an und verbeugte sich tief vor dem riesigen Mann, der irgendwie belustigt zu sein schien, was den Gouverneur verunsicherte.
»Ich danke Euch für das freundliche Angebot«, sagte der Junge mit hoher Sopranstimme huldvoll und neigte den Kopf. »Im übrigen redet Ihr zu dem Falschen.«
Jukolenko zuckte herum, errötete und verbeugte sich noch tiefer.
»Verzeiht mir, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass mein Nachfolger so jung ist.« Der Gouverneur konnte die gespannte Stille im Raum nach diesem protokollarischen Fehltritt geradezu greifen.
Doch das peinliche Versehen schien den Jungen nicht weiter zu beschäftigen, er steuerte vielmehr direkt auf den freien Sessel am Kopfende der Tafel zu. Der bösartig aussehende Riese mit dem martialischen Säbel an der Seite folgte ihm auf dem Fuß, während sich der Diener bereits neben dem Möbelstück positioniert hatte. »Kommt. Ihr dürft mir Gesellschaft leisten.«
Mit einem sehr zufriedenen Ausdruck auf dem breiten Pfannkuchengesicht ließ sich der Harac auf die Sitzfläche plumpsen, leerte den Teller Jukolenkos wie selbstverständlich auf den Boden und stapelte Fleisch, Gemüse und Brot darauf, bis auch der Rand restlos überfüllt war.
»Was feiert Ihr denn? Hat jemand Geburtstag, oder ist das heute ein granburgischer Festtag?«
Etwas fassungslos beobachtete der Gouverneur, wie der Junge das Essen verschlang.
»Nein, Herr. Es ist so, dass ich alle meine Freunde einmal im Jahr zu einem Bankett einlade. Eine nette Gewohnheit, die inzwischen zur Tradition wurde.«
»Gut. Ich werde sie beibehalten, auch wenn ich nicht weiß, wer hier drin mein Freund ist.« Lodrik zwinkerte gut gelaunt in die Runde der schweigenden Männer und langte zu. »Ihr wart vorhin sehr fröhlich. Das scheint vorbei, seit ich den Raum betreten habe. Weshalb?« Der Junge knabberte an einem Stück Knochen und leckte sich die Finger.
»Brojak Kaschenko hat einen Witz erzählt«, versuchte Jukolenko zu erklären. Er wusste nicht, was er von dem dicken Knaben halten sollte. Auf den ersten Blick schien er nicht sehr intelligent zu sein, andererseits könnte sein Gehabe gespielt sein, um ihn zu prüfen. Die Fragen, die der Harac stellte, entsprangen entweder abgrundtiefer Unbedarftheit oder Kalkül, und bevor der Gouverneur nicht sicher war, woher sie stammten, wollte er lieber vorsichtig sein.
»Ich mag Witze. Brojak Kaschenko, könntet Ihr den Witz für mich noch einmal zum Besten geben?« Lodrik schwenkte den Knochen hin und her und schaute erwartungsvoll in die Runde.
Ein Tischnachbar rempelte den Großbauern an, der mit offenem Mund und glasigen Augen in die Luft starrte.
»Ach, ja, der Witz. Einen Moment, Herr, ich habe ihn gleich wieder.« Die Stirn legte sich in Falten, dann schlug sich der Mann an den Kopf. »Ich glaube, ich habe ihn vergessen. Muss wohl am Alkohol liegen, Harac.«
»Macht ja nichts, er wird Euch eines Tages wieder einfallen, Brojak Kaschenko.« Der Tadc hielt mit dem Kauen inne und wandte sich der Gouverneursgattin zu. »Und wer seid Ihr, wenn ich fragen darf? Vermutlich Gouverneur Jukolenkos Eheweib.« Er nahm ihre Hand und drückte einen dicken Kuss mit den fettverschmierten Lippen darauf. »Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen.«
Kaya ließ die Hand auf dem Tisch liegen, als wäre sie mit der Pest in Berührung gekommen. Die Mundwinkel der schönen Frau zuckten verräterisch, ihre Abscheu war offensichtlich.
Stoiko amüsierte sich königlich. Nicht nur, dass Jukolenko sich ganz fantastisch blamiert hatte, sein Schützling stellte die Nerven aller Anwesenden mit der üblichen Art, die der Kabcar auf Bällen so fürchtete, auf eine harte Probe. An dem Gesicht des Statthalters erkannte der Diener, dass der Mann wohl nicht recht schlau aus Lodrik wurde, und das war auch gut so.
Stoiko kam zum dem
Weitere Kostenlose Bücher