Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
seiner Tasche. »Das ist der Plan, nach dem wir zum Gouverneurspalast finden. Ich hätte nicht gedacht, dass die Stadt so groß ist.«
    »Also, los. Ich will in ein großes warmes Zimmer mit heißer Milch und einem warmen Bad«, sagte Lodrik ungeduldig. »Wir waren mehr als einen Monat unterwegs, und ich habe Lust auf Kekse.«
    »Ich bin schon unterwegs, Herr.« Waljakov verneigte sich und kletterte ins verschneite Freie, kurz danach setzte sich der Tross wieder in Bewegung.
    Lodrik schaute neugierig aus dem Fenster des Gefährts und versuchte, einen Eindruck von der Stadt zu erhalten, in der er als Gouverneur die nächste Zeit herrschen sollte.
    Die wenigen Leute, die er auf den breiten Hauptstraßen sah, waren vermummt bis zum Haaransatz, zogen Schlitten mit Brennholz hinter sich her oder hatten dicke Bündel Reisig unterm Arm. Keiner würdigte die Kutsche eines Blicks und wenn doch, dann geschah es eher flüchtig und ohne großes Interesse.
    Die großen Fachwerkhäuser wirkten grau und verlottert, scheinbar fehlte den meisten Bewohnern das Geld, um ihre Behausungen richtig in Ordnung zu halten. Hochbetrieb herrschte lediglich in den Gaststätten, an denen sie vorbeifuhren.
    Hinter den bunten, beschlagenen Glasfenstern erkannte Lodrik schemenhaft breite Gestalten, die Krüge und Gläser schwenkten, ab und zu drangen lautstarke Gesänge durch das Glas nach außen, die für den zukünftigen Gouverneur mehr nach spontanem Gegröle als nach eingeübten Noten klangen.
    Der Tadc schüttelte sich, als er an den Geruch des Wurzel-, Rinden- und Pilzbieres im Gasthof denken musste. Unbegreiflich, dass jemand so etwas freiwillig trinken konnte.
    Als sie die Goldene Kugel passierten, wurde ein betrunkener Gast vom Wirt auf die verschneite Straße befördert und beinahe von der Leibwache des Tadc niedergetrampelt. Erst im letzten Moment wichen die Berittenen aus, der Mann erhob sich und torkelte orientierungslos zwischen den Pferdeleibern von rechts nach links.
    Waljakov zügelte sein Tier und drängte den Betrunkenen an den Straßenrand, wo er ihn mit einem kraftvollen Tritt in den Rücken in die Nebengasse beförderte.
    »Die Granburger versuchen offensichtlich, ihre Sorgen im Alkohol zu ertränken«, meinte Stoiko, der aus dem anderen Fenster schaute und den Vorgang beobachtete. »Keine sehr ansehnliche Provinzhauptstadt, wenn Ihr mich fragt, Herr.«
    Lodrik hatte den Gouverneurspalast entdeckt, der im Gegensatz zu allen anderen Gebäuden durch die protzige Fassade und die Blattgoldarbeiten aus der Masse herausstieß, und klatschte begeistert in die Hände.
    »Sieh mal, dort werden wir wohnen, Stoiko. Ist das nicht schön?«
    »Immerhin scheint einer zu wissen, wie man in dem Elend gut leben kann.« Der Diener zog die Handschuhe straff. »Ich bin gespannt, wie Gouverneur Wasilji Jukolenko aussieht. Er regiert schon mehr als sechs Jahre in dieser Provinz, das wird seine Spuren hinterlassen haben.«
    Lodrik kratzte sich am Kinn, an dem ein paar Büschel einsamer Barthaare juckte. »Der Kabcar hat gesagt, dass er ihm ein Dorn im Fleisch wäre. Weshalb eigentlich, Stoiko?«
    »Soviel ich weiß, kritisiert er den Herrscher bei den Adligen von Granburg, bemängelt seine Außenpolitik und seine Innenpolitik. Er ist ein reaktionärer Mensch, der dem Adel gerne wieder seine volle Machtposition zusprechen und Tarpol am liebsten in selbstständige Grafschaften umwandeln würde«, berichtete Stoiko. »Er hetzt die Mächtigen der Provinz gegen Euren Vater auf, natürlich ganz versteckt und ohne Zeugen. Der Kabcar hat nur zufällig von den Machenschaften gehört, konnte aber Jukolenko noch nichts nachweisen.« Der Diener suchte nach der Lederrolle, in der die Einsetzungsurkunde von Lodrik wasserdicht aufbewahrt lag, und balancierte sie auf der flachen Hand. »Diese Papiere bedeuten inoffiziell die Abstrafung des Gouverneurs für das Gerede und die kleinen Spielchen, die er seit Jahren betreibt. Die Adligen und Jukolenko werden sehr wohl wissen, was die Absetzung bedeutet.«
    Die Kutsche fuhr in den kopfsteingepflasterten Innenhof des Palastes und kam zum Stehen.
    Der Leibwächter öffnete den Wagenverschlag und half Lodrik aus dem Inneren des Gefährts.
    Heimlich hatte der Tadc mit einem roten Teppich oder wenigstens einer Ehrengarde gerechnet, aber zu seinem Erstaunen zeigte sich niemand auf dem Hof. Am Eingang zum Palast standen lediglich zwei Livrierte, die die Neuankömmlinge sehr überrascht musterten, sich aber nicht

Weitere Kostenlose Bücher