Schatten über Ulldart
scheinbar abwartete, wann er endlich untergegangen sei.
Torbens Kräfte erlahmten zusehends, das eisige Wasser raubte ihm wichtige Wärme, die Pelze und Wollwäsche wurden so schwer, dass er sich mit den Schwimmbewegungen nicht mehr lange halten konnte. Stufen oder ein Seil gab es an dieser Stelle der Hafenmauer nicht.
Der Mann über ihm fuhr plötzlich mit einem Fluch herum und verschwand von der Kante.
Der Rogogarder hörte ein wütendes Fauchen und das Klirren von Schwertern, dann versank er in den schwarzen Fluten.
Ein starker Arm riss ihn zurück und verhinderte, dass er in der Tiefe verschwand. Torben hustete und übergab sich mehrmals, während ihn etwas vollständig aus dem Wasser hievte.
Auf der Mauer wurde er sanft auf den Boden gelegt, ein rubinrot leuchtendes Augenpaar erschien dicht vor seinem Gesicht.
»Pass besser auf«, knurrte die Stimme Pashtaks, dann verschwand das Wesen.
Die Schiffe rund um den Pirat erwachten zum Leben, Rufe wurden laut, und Licht näherte sich.
»Den kenne ich. Der hat auf der Selina angeheuert«, sagte ein Mann, viele Hände hoben ihn hoch und trugen ihn an Bord des agarsienischen Händlers.
Die Matrosen zogen ihm die nassen Sachen aus und steckten ihn unter einen Berg Decken.
»Die Männer machen sich auf die Suche nach der Bestie«, versprach der Kapitän, der die Arbeiten überwachte. »Man hat gesehen, wie sie sich an dir zu schaffen gemacht hat. Um ein Haar hätte sie dich gefressen, glaub mir. Die Biester sind wirklich dreist. Der Winter treibt sie sogar bis in die Stadt.«
Torben hob die Hand, war aber zu schwach und immer noch zu alkoholisiert, um etwas sagen zu können.
»Du ruhst dich aus, damit du morgen deinen Dienst versehen kannst«, ordnete der Schiffsführer an und verließ das Quartier.
»Ich bring dir den Kopf von dem Vieh«, zwinkerte ihm der Maat zu, klopfte auf ein breites Entermesser und folgte den anderen Seeleuten.
Der Rogogarder war verzweifelt, denn ganz Ludvosnik würde den Falschen jagen.
»Hoffentlich erwischen sie dich nicht«, murmelte er und wünschte Pashtak in Gedanken alles Gute.
Am folgenden Morgen glitt die Selina mit vollen Segeln durchs Wasser, Torben stand an Deck und wechselte sich mit dem ersten Steuermann ab, um ein Gefühl für das Schiff zu bekommen. Der agarsienische Händler reagierte etwas schwerfälliger als die Grazie, war ansonsten doch von seinen Eigenschaften her vergleichbar. Pashtak war allem Anschein nach in der Nacht seinen Verfolgern entkommen. Die Männer kehrten in den frühen Morgenstunden enttäuscht an Bord zurück, auch die Wache hatte keine Erfolge zu vermelden.
Der Rogogarder gab bei Fragen vor, sich durch den Sturz an nichts mehr erinnern zu können, um die Angelegenheit nicht noch mysteriöser zu machen, denn die Wahrheit hätte ihm keiner der Matrosen geglaubt.
Er wusste selbst nicht mal, warum der Mann von gestern beabsichtigt hatte, ihn umzubringen. Ein normaler Räuber hätte versucht, ihm wenigstens seine Börse wegzunehmen.
»Nussschale voraus«, meldete der Ausguck, »da hält ein Ruderboot auf uns zu.«
Der Kapitän kam auf das Oberdeck und schaute durch sein Fernrohr. »Da möchte jemand an Bord genommen werden. Segel reffen. Mal sehen, ob sich da ein Geschäft anbahnt.«
Das Boot, in dem vier Ruderer und ein fünfter Mann saßen, kam näher und erreichte die Selina.
Ein kräftiger Mann mit Schnurrbart und Pelzmütze erhob sich und ging zum Bug, die trachtenähnliche Kleidung wies ihn als einen einigermaßen wohlhabenden Rundopäler aus.
»Ich möchte nach Kurlanja. Könnt ihr mich mitnehmen? Ich bezahle gut«, rief er.
»Wir fahren nicht nach Kurlanja, aber ich kann Euch bei Hublinka absetzen, dort findet Ihr ein Schiff, mit dem Ihr Eure Fahrt fortsetzen könnt«, schlug der Kapitän vor. »Kommt an Bord, der Wind steht derzeit noch günstig, und die Arme meiner Ruderer sind noch ausgeruht.«
»Wie viel kostet mich das?«, fragte der Rundopäler abschätzend. »Mehr als fünfzig Waslec werde ich nicht zahlen!«
»Das ist für die Überfahrt in Ordnung. Und für weitere fünfzig Waslec bekommt Ihr etwas zu essen und eine Kabine«, antwortete der Kapitän grinsend. Torben und die Matrosen lachten. »Es sei denn, Ihr wollt an Deck schlafen und habt genügend Vorräte dabei.«
»Ihr seid ein Halsabschneider, Kapitän, aber ich komme trotzdem an Bord«, stimmte der andere missmutig in das Geschäft ein, aber an seinem Gesicht erkannte man, dass auch er ganz zufrieden mit dem
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