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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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zu sein.
    Lodrik stand auf und stellte sich nackt bis auf einen Unterleibswickel vor den Spiegel. Immer noch verfügte er über gewaltige Körpermassen, aber der Bauch und der Hüftspeck schwanden allmählich. Die Worte des Mädchens hatten den schlummernden Ehrgeiz des Gouverneurs endgültig geweckt.
    »Ihr werdet alle noch Augen machen«, versprach er seinem Spiegelbild, bevor er sich in die wärmenden Wollsachen hüllte und den Klingelzug betätigte. Nach kurzer Zeit stand Stoiko im Zimmer.
    »Ulldrael sei Dank, Ihr seid wieder auf den Beinen, Herr«, sagte der Vertraute und strahlte. »Ich wollte schon den ansässigen Cereler herholen lassen.«
    Lodrik winkte ab. »Es geht mir wirklich gut. Ich habe, glaube ich, lange genug im Bett gelegen. Was ist mit unseren Gästen?«
    »Miklanowo und seine Tochter sind immer noch in der Stadt. Sie haben Quartier in einem der Gasthäuser bezogen, da wir ja den Gästetrakt bewohnen«, erklärte Stoiko und öffnete die Tür. »Während Ihr frühstückt, lasse ich die beiden herrufen, Herr.«
    »Eine gute Idee, Stoiko.« Der Gouverneur schlurfte hinaus, die Gänge entlang und zog wie üblich alle paar Meter die Hose hoch. »Ich bin auf den Großbauern wirklich sehr gespannt. Was hältst du von ihm?«
    »Ich würde meinen, er entspricht nicht unbedingt in allen Einzelheiten der tarpolischen Tradition eines Brojaken, aber er ist ein äußerst umgänglicher und sehr gebildeter Mensch. Seine Ansichten sind, wie soll ich sagen, etwas revolutionär in manchen Dingen.« Lodrik zog die Augenbrauen hoch. »Keine Angst, er wiegelt das Volk nicht gegen Euren Vater auf«, beruhigte der Vertraute sofort. »Aber Ihr werdet schon noch sehen, was ich meine.«
    Eine Stunde später saßen Lodrik und Stoiko in der Kanzlei, Waljakov stand an der Tür und machte wie immer ein grimmiges Gesicht. Er hatte dem Unteroffizier der Wache eine gehörige Lektion in Sachen Palastsicherheit erteilt, nachdem er von dem Besuch Norinas in den Gemächern des Gouverneurs erfahren hatte. Wäre anstelle der Brojakentochter ein Attentäter in das Zimmer Lodriks gelangt, hätte das Schlimmste passieren können.
    Es klopfte, und nach einer kurzen Verzögerung trat ein rundlicher Mann mit stattlichem Vollbart in die Kanzlei, dicht hinter ihm folgte Norina.
    »Es freut mich, den neuen Gouverneur von Granburg kennen zu lernen«, begrüßte der Großbauer Lodrik und verbeugte sich, auch Norina machte jetzt einen Knicks. »Die Einladung ist eine große Ehre für mich.«
    Der Junge erhob sich und nickte freundlich. »Die Freude ist ganz meinerseits, Brojak Miklanowo. Ich habe schon ein bisschen was über Euch gehört.«
    »Ich von Euch ebenfalls«, meinte der Mann und schaute kurz zu seiner Tochter.
    »Nehmt doch Platz.« Lodrik zeigte auf die freien Stühle, die ihm gegenüber standen. »Ich muss einiges mit Euch bereden, was die Zukunft der Provinz Granburg angeht.«
    »Da bin ich unter Umständen der falsche Mann. Jukolenko wäre bestimmt besser geeignet als ich«, warf Miklanowo ein und setzte sich, Norina wählte den Stuhl zu seiner Rechten.
    »Jukolenko ist keine besonders gute Stütze, wie wir feststellen mussten«, sagte Stoiko und schenkte dampfenden Tee aus. »Es sieht so aus, als wolle man den frischen Wind in Granburg nicht wehen lassen, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    »Und ich dachte, dass Ihr mir vielleicht bei der Einarbeitung in das Amt zur Hand gehen und vielleicht die ein oder andere Besonderheit der Leute hier erklären könntet«, fügte Lodrik hinzu. »So wie bisher soll es jedenfalls nicht weitergehen.«
    Der Großbauer rührte Zucker in der Tasse. »Die Menschen wissen noch nicht genau, was sie von Euch halten sollen, aber die Entscheidung gegen Kolskoi hat die einfachen Leute hellhörig gemacht. Man ist gespannt, und um bei dem Vergleich mit dem Wind zu bleiben, ob die Brise abflaut oder zu einem ordentlichen Sturm wird.«
    Stoiko schüttelte den Kopf. »Ein Sturm würde viele Sachen vernichten, aber eine ordentliche Böe wird genügen, damit sich die Windrichtung ändert.«
    »Was ich von Euch wissen will, ist, wollt Ihr mir helfen oder nicht?«, unterbrach Lodrik ungeduldig, der das seltsame Gerede über Unwetter satt hatte. »Ich brauche jemanden, der sich im Land auskennt und Neuerungen, soweit sie mir als Gouverneur möglich sind, aufgeschlossen gegenübersteht. Mehr will ich nicht.«
    »Das ist keine leichte Aufgabe, die Ihr von mir verlangt«, antwortete Miklanowo nachdenklich. »Natürlich

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