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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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da unten sehen sollen«, fuhr Paula fort. »Für Irves und seinen komischen Freund war das nur ein bisschen Machogehabe. Aber du warst … eine völlig andere Person. So … hasserfüllt. So kenne ich dich überhaupt nicht! Willst du jetzt auf jeden, auf den du wütend bist, einfach so losgehen?«
    Zoë biss sich auf die Lippe. »Tut mir leid, dass ich dir den Abend verdorben habe.«
    Paula seufzte. »Hast du ja gar nicht«, sagte sie und rang sich immerhin wieder zu einem schmalen Lächeln durch. »Aber hör auf damit, mir jedes Mal, wenn wir uns sehen, einen Schreck einzujagen!«
    Es war das erste Mal, dass sie wirklich wie eine gute Freundin klang und nicht wie das Mädchen auf der Ellen-Reservebank.
    »Planst du Ellen zu sagen, dass er eine Neue hat?«, wollte Paula nun wissen.
    »Natürlich! Würdest du sie nicht warnen?«
    Paula sah sie von der Seite an. »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es nicht mehr deine Sache ist, was sich zwischen Ellen und David abspielt. Vielleicht haben sie schon längst Schluss gemacht. Vielleicht ist das Mädchen auch gar nicht seine Neue – du kennst sie doch gar nicht! Du kennst nur deinen Teil der Geschichte.«
    Zoë wollte widersprechen, aber dann machte sie den Mund wieder zu. Es schien ganz und gar nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, um mit Paula zu diskutieren.
    »Na ja«, sagte sie stattdessen. »Zumindest weiß ich jetzt ganz sicher, dass ich David kein bisschen mehr liebe. Im Gegenteil.«
    Es fühlte sich sogar gut an, diese Tatsache einfach nur auszusprechen.
    Paula runzelte die Stirn. Sie schwieg auf ihre vielsagende Art, dann sagte sie einen ihrer erstaunlichen Sätze, die immer aus heiterem Himmel kamen: »Hass ist aber nicht das Gegenteil von Liebe. Das Gegenteil von Liebe wäre Gleichgültigkeit.«
     

Teamwork
    Schon als sie am Montag den Flur betraten, der zum Sprachlabor führte, steckten ein paar Mädchen aus der Elften die Köpfe zusammen.
    »Scheint sich ja schnell herumgesprochen zu haben«, flüsterte Zoë.
    »Sieht ganz so aus«, antwortete Paula ebenso leise. »Aber tu mir bitte den Gefallen und hau ihnen nicht gleich eine runter.«
    An diesem Tag ging Zoë mit einem sehr mulmigen Gefühl in den Pausenhof. Ein paar Jungs aus Davids Basketballgruppe, mit denen sie sich noch vor wenigen Wochen völlig normal unterhalten hatte, beobachteten sie nur abschätzig. Einige grinsten sich vielsagend zu. David stand mit zwei Mädchen aus seiner Klasse am Rand des Pausenhofs, fast schon bei der Raucherecke. Er gönnte ihr nur einen verächtlichen Blick und wandte sich ab. So fühlte es sich also an, wenn man jemanden endgültig als Freund verloren und als Feind gewonnen hatte.
    Sie hatte vorgehabt, beherrscht und gleichgültig aufzutreten, nun aber zog sie sich ans andere Ende des Pausenhofs zurück – dort, wo schon die Straße anfing – und machte ihr Handy an. Noch zwei Schulstunden, dann musste sie bei Frau Thalis antreten. Aber vielleicht war der Mord vom Wochenende bei den Lehrern heute das Hauptgespräch? Möglicherweise fielen deswegen Sprechstunden aus? Ihr Handy meldete sich mit einem Piepsen und einem Briefsymbol.
    Club Exil? Wann? PS: Lass den Ex am Leben!
    Irves. Das Lächeln verging ihr allerdings sofort wieder, als sie aufblickte.
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite saß ein Mann mit verfilzten langen Haaren von einem verblichenen Gelb. Sogar seine Augen waren gelb. Und so, wie er sie mit hängender Unterlippe musterte, wirkte er, als sei er nicht ganz dicht. Als Zoë zur Seite trat, um sich wieder unter die Schüler zu mischen, bemerkte sie, dass der Mann auf der Motorhaube eines geparkten Autos hockte. Er war barfuß, was sie erst auf den zweiten Blick erkennen konnte, denn seine Füße waren so schmutzig und verhornt, dass sie eher an Hufe erinnerten. Seine Kleidung bestand aus willkürlich zusammengesuchten farblosen Stücken, die möglicherweise aus der Altkleidersammlung stammten. Und aus der Tasche seiner zerschlissenen Jacke ragte – Zoë verzog angewidert das Gesicht – der reichlich zerrupfte und schlaff hinunterhängende Flügel einer Taube.
     
    Rubio reagierte nicht. Dabei stand ich praktisch seit Tagesanbruch vor seiner Tür. Doch bisher hatte ich nur erreicht, dass er die Klingel wieder ausgemacht hatte. Und als ich wieder einmal um das Haus herumging, um nach seinem Gesicht am Fenster Ausschau zu halten, sah ich nur noch, wie das Fenster zuklappte. Auf der Straße lag der Zettel, den ich gestern eingeworfen hatte –

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