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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ihn nie haben.«
    Seine Augen hatten den gelblichen Braunton von Löwenaugen. Und sein Grinsen war das eines niederträchtigen alten Mannes, der um seinen Vorteil wusste. »Wie sehr du dich bei Letzterem irrst, mein weinerlicher, illegaler junger Freund«, spottete er. »Der Schatten ereilt niemanden einfach so, man entscheidet sich für ihn. Etwas muss dich bewogen haben, ihn zu rufen. War es Neugier? Wut? Oder möglicherweise sogar Hass?«
    Sein listiges Grinsen zeigte mir, dass er ein weitaus besserer Detektiv war, als ich es jemals werden würde. Ich leckte mir nervös über die Lippen.
    »Du weißt also etwas darüber«, beharrte ich. »Alle, die ich bisher gefragt habe, konnten oder wollten mir nichts sagen. Aber du … du bist nicht aus dem System gefallen. Du bist zwar alt, aber dich hat das Hundefresservirus offenbar nicht erwischt. Du hast eine Wohnung, du lebst wie ein Mensch und gehörst nicht zu denen da draußen. Wie schaffst du das? Gibt es eine Möglichkeit, es … loszuwerden?«
    Rubio sah mich mit einer Mischung aus Mitleid und Ärger an. »Ach, darum geht es dir?«, fragte er. Es überraschte mich, wie enttäuscht er klang. Dann schüttelte er traurig den Kopf. »Schlechte Nachricht für dich, Kleiner. Der Schatten ist ein Teil von dir. Was du über die Schwelle geladen hast, das wohnt in deinem Haus. Dein Schatten und du, ihr seid für immer verbunden. Untrennbar.«
    Er sah mir sicher an, wie niederschmetternd seine Worte waren. Ich musste schlucken, weil ich tatsächlich kurz davor war zu heulen. »Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Ich werde einen Weg finden. Aber ich muss mehr darüber erfahren: Woher stammt der Kodex? Warum gibt es solche wie uns? Der Kodex sagt, wir müssen verteidigen. Wen? Uns selbst? Aber was passiert, wenn jemand gegen den Kodex verstößt? Wird der Mörder bestraft? Wurdest … du bestraft?« Ich versuchte, nicht auf den Rollstuhl zu sehen.
    Einige Sekunden lang schien Rubio tatsächlich zu überlegen, ob er mir antworten sollte. Doch er zögerte.
    »Bitte, ich muss Antworten haben. Es geht nicht nur um mich«, beschwor ich ihn. »Sondern auch um … einige Freunde.«
    Bei dem Wort »Freunde« verdrehte er die Augen. »Verwechsle Bruderschaften nie mit Freundschaften«, knurrte er. Sein Blick schweifte über meine Schulter. Ich hatte den Eindruck, dass er immer noch nach etwas – oder jemandem – Ausschau hielt. Dann winkte er mit seiner mageren, fleckigen Hand ab. »Ach, hör auf, mich zu langweilen«, sagte er voller Verachtung.
    »Sind dir alle gleichgültig – Barb und die anderen? Du kennst sie doch viel länger als ich.«
    »Barbara Villier? Oh ja, ich kannte sie gut. War eine fähige Finanzfrau. Und im Börsendschungel konnte sie sich ihre Instinkte zunutze machen. Übernahmen, Revierkämpfe – dafür hat sie ihr Gespür gut eingesetzt. Und nicht zum Nachteil der Leute, deren Interessen sie vertreten hat. Hatte hohe Ideale, gehörte nicht zu den Börsenhaien, die nur ihr eigenes Bankkonto sehen. Managte einige Öko-Fonds. Spezialgebiet regenerative Energien. Aber dann zählte plötzlich nur noch die Jagd und sie hat sich im Schatten verloren. So wie Marcus und Kemal, Eve und Julian – und die anderen. Julian war erst seit einem Jahr Schauspieler am Theater. Er war ein wirklich guter Hamlet. Aber er war nicht gut genug, als es darum ging, seine eigene Rolle zu finden. Sie hatten alle ihre Chance – aber sie wurden zu einem Haufen von selbstsüchtigen Versagern. Aber so ist das eben: Du kannst deinen Schatten als Bruder behandeln oder als Sklaven. Entscheidest du dich für Letzteres, musst du dich nicht wundern, wenn er nur auf seine Chance wartet, um sich von der Kette zu befreien.«
    Ich zuckte zusammen, als ich ein schrilles Piepsen hörte. Rubio hatte den Stick, der um seinen Hals hing, ergriffen und den roten Knopf gedrückt. Es war kein Notrufset, sondern so etwas wie eine Funkfernbedienung, die ihm die Tür öffnete. Mit einem elektrischen Surren schwang sie auf.
    »Und jetzt entschuldige mich, Sherlock Holmes«, sagte Rubio. »Mein Bier wird langsam warm. Und ich hasse lauwarmes Bier.«
    Ich war schneller als er und versperrte ihm die Tür. »Ich gehe nicht ohne Antworten«, fuhr ich ihn an. Ich war gefährlich nahe an der Wut, aber jetzt konnte ich auch die Zorneswellen spüren, die von dem Alten ausgingen.
    »Und was würdest du wohl mit Antworten anfangen?«, donnerte er. »Nichts! Ich habe euch Antworten gegeben – und mehr als das.« Er klopfte

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