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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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alle Zeit. Gesetz des Dschungels.«
    Dann schloss sich die Tür schon hinter ihm.
    Ich blieb noch eine Weile stehen und starrte auf die weiße Metallwand. Ein Nichts, hallten seine Worte in meiner Erinnerung nach. Es war weniger schlimm, es aus seinem Mund zu hören; schlimmer war, dass ich es genauso empfand. Wer war ich ohne Gedächtnis? Es war, als würde ein Stück von mir fehlen. Alles, was ich hatte, waren meine Aufzeichnungen. Und – Rubios Wissen.
    Kurz entschlossen zerrte ich meine Aufzeichnungen aus der Jackentasche – den Kodex mit meinen ganzen Fragen, einige Skizzen und Vermutungen – und stopfte alles in den Briefkasten. Leben auf Messers Schneide. Wächter. Herkules – Leopardenkinder – eine sterbende Bestimmung? Nun, das war immerhin ein Anfang. Ich holte das größte Papier hervor, das ich noch übrig hatte, und schrieb in Riesenlettern darauf:
    DU WIRST MICH NICHT LOS, ALTER MANN!
    Doch erst in der Sekunde, in der ich das improvisierte Schild an der U-Bahn-Haltestelle hochhielt, sodass Rubio es vom Fenster aus sehen musste, wurde mir klar, für wen Barb ihre Hilferufe verfasst hatte. Sie musste an derselben Stelle gestanden haben wie ich, in den Händen das Schild mit der Aufforderung an Rubio, jemanden zu töten.
     
    Die sechste Stunde fiel wegen der Sonderkonferenz einiger Lehrer aus. Vermutlich ging es um den Mord auf dem Sportplatz. Zoë packte rasch ihre Sachen zusammen und machte sich auf den Weg zu den Medienräumen. Sie hatte Glück: Zumindest der Recherche-Computer im Aufenthaltsraum war frei. Ungeduldig loggte sie sich bei ihrem E-Mail-Provider ein. Eine Weile kaute sie auf ihrer Lippe herum, unentschlossen, ob sie sich wirklich in Dinge einmischen sollte, die sie nichts mehr angingen. Dann aber tippte sie eine kurze Nachricht an Ellen ein und loggte sich sofort wieder aus. Nun rief sie eine Suchmaschine auf und gab »Irves Martini« ein. Siebzehn Einträge erschienen, keine Fotos. Ankündigungen und ein Zeitungsausschnitt. Er hatte tatsächlich in einer Band gespielt – in London. Ausgerechnet Neopunkrock. Die Band hieß Ghost . Genauer gesagt, sie hatte so geheißen. Offenbar hatte sie sich vor eineinhalb Jahren aufgelöst, weil Irves über Nacht ausgestiegen war. Und das, obwohl der erste Plattenvertrag in Sicht war. Zoë klickte sich noch durch einige Forumseinträge enttäuschter Fans, dann führten die Spuren nur noch auf das Feld der Spekulation. Nun, er musste einen Grund gehabt haben, um die Band so plötzlich im Stich zu lassen. Hatte es Streit gegeben?
    Zoë schloss die Seiten und holte ihr Handy hervor. Doch Irves hatte sein Handy ausgemacht, also tippte sie nur eine SMS ein: Ich weiß noch nicht, vll Do. Melde mich. Z.
    Ein Blick auf die Uhr über der Tür sagte ihr, dass sie bis zum Klingeln noch Zeit hatte. Also klickte sie auch noch die Mailbox ihres Schüleraccounts auf. Die ersten drei Nachrichten übersprang sie.
    Betreff: Projektgruppe sauberer Pausenhof – Programm
Betreff: Streitschlichtertreffen Freitag fällt aus
Betreff: Schulfest der 7 . Klassen, noch Betreuer gesucht
    Doch bei der vierten Mail stutzte sie.
    Betreff: Warnung
    Spam? Zoë klickte sie trotzdem auf und staunte gleich noch mehr:
    Von: [email protected]
Datum: 18.03.2010 22:4 0 Uhr
An: ’zoe’ [email protected]
Hallo Zoë. Halte dich von jemandem fern (Bild s. u.). Stadtbekannter Schläger. Er heißt Maurice und ist gewalttätig (!) und manchmal nicht zurechnungsfähig. Er ist vor allem zwischen 2 3 Uhr und 3 Uhr morgens in deinem Viertel unterwegs. Es ist wichtig (!!!), dass du in dieser Zeit nicht auf die Straße gehst. Wenigstens in den nächsten Tagen. Falls du ihn tagsüber triffst, mach einen Bogen um ihn und sieh zu, dass du unter Leute kommst. Melde mich wieder mit weiteren Infos. Halte ansonsten die Augen offen und pass auf dich auf!
    Zoë runzelte die Stirn. Sie scrollte herunter, bis sie das Bild sah. Eine steckbriefartige Bleistiftskizze. Jetzt machte ihr Herz einen Satz. Auch wenn das Porträt nur grob gezeichnet war, stellte es eindeutig den Kerl vom Kiosk dar! Aber wer warnte sie vor ihm? Eine Weile starrte sie nur in die stechenden Augen, dann gab sie den Suchbegriff »Panthera« ein. Als Definition erschien:
    Gehören zu den Großkatzen. Zur Gattung Panthera zählt man: Tiger (Panthera tigris), Löwe (Panthera leo), Leopard (Panthera pardus) und Jaguar (Panthera onca).
    Jetzt atmete Zoë auf. Das erklärte einiges. Es sollte wohl eine Anspielung

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