Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
auf den Tiger in der Buddha Lounge sein. Also war es kein Verrückter, der ihr Angst machen wollte. Irves hatte ihren Schülerausweis gesehen und sich offenbar ihren vollen Namen und ihre Adresse gemerkt. Von dort aus war es nicht schwierig, ihre Mailadresse zu finden. Vielleicht wohnte er in ihrer Nähe, wenn er so gut Bescheid wusste? Auf jeden Fall spielte er offenbar gerne den geheimnisvollen Beschützer. Zoë lächelte, blickte noch einmal auf die Uhr, dann tippte sie ihre Antwort ein.
    Frau Thalis hatte den Termin weder vergessen noch hatte sie ihn abgesagt. Im Gegenteil: Sie schien bereits ungeduldig auf Zoë gewartet zu haben und forderte sie nun mit einer herrischen Bewegung auf, ihr ins Lehrerzimmer zu folgen. Das Lehrerzimmer war aus der Zeit der Minirock-Erfindung und der frühen James Bond -Filme übrig geblieben: Orange und Braun, klobige Möbel und Brieffächer aus dunklem Plastik. In den Ecken trennten vorsintflutliche Gummibäume und Regale die kleinen Besprechungsecken vom restlichen Raum ab. Zoë versuchte sich zu erinnern, ob sie Frau Thalis schon einmal ohne Sportsachen gesehen hatte. Heute trug die Lehrerin ein braunes Kostüm, das sie noch strenger wirken ließ. Wie alt mochte sie sein? Fünfunddreißig? Vierzig?
    Sie wartete, bis Zoë Platz genommen hatte. Dann zog sie eine Mappe mit Kopien hervor und begann im Stehen darin zu blättern.
    »Zoë, wir kennen uns ja noch nicht sehr lange«, begann sie ohne Umschweife. »Deshalb habe ich mir heute deine Leistungen der vergangenen Jahre angeschaut, um mir ein besseres Bild von dir zu machen. Deine Leistungen sind in Ordnung, aber nicht überragend. Schlecht in Mathematik, erstaunlicherweise aber gut in Physik. Und zwei Jahre lang warst du Vertrauensschülerin, ist das richtig?«
    Zoë nickte zögernd und setzte sich unwillkürlich etwas gerader hin.
    »Im vergangenen Jahr hast du am Streitschlichterprogramm teilgenommen?«, fuhr die Lehrerin fort.
    »Ich kann mir vorstellen, was Sie denken«, begann Zoë. »Eine Streitschlichterin, die sich selbst nicht im Griff hat. Aber es wa r …«
    »Du sollst mir nur meine Frage beantworten. Also: ja oder nein?«
    Noch nie war ihr aufgefallen, dass Frau Thalis blaugraue Augen hatte, die sehr kühl wirkten. Röntgenblick.
    »Ja«, sagte Zoë.
    Die Lehrerin nickte, klappte endlich den Verhörordner zu und legte ihn auf den Tisch.
    »Schön. Dann hast du ja sicher schon davon gehört, dass man sein Team nicht einfach so im Stich lässt. Du bist davongelaufen. Dafür kann ich dich aus der Gruppe ausschließen, ist dir das klar?«
    »Ja, das … ist mir klar«, sagte sie leise.
    Frau Thalis musterte sie mit verschränkten Armen. Die Pause zog sich. Wartet sie auf eine Entschuldigung? Oder darauf, dass ich darum bitte, in der Gruppe bleiben zu dürfen? Nein, betteln würde sie auf keinen Fall!
    »Du denkst, du bist eine Einzelkämpferin, fuhr die Lehrerin fort. »Aber du irrst dich, wenn du denkst, das sei der richtige Weg. Es geht immer um das Team. Ohne Team kämpfst du wirklich allein und verlierst. Kennst du den Spruch, dass eine Gruppe mehr ist als die Summe aller Teile? Er ist wahr.«
    Sie setzte sich endlich, legte die Mappe auf den Tisch und lehnte sich zurück. »David Meyer und du, ihr wart lange zusammen?«
    Die Frage kam so unvermittelt, dass Zoë ihre Überraschung kaum verbergen konnte. Sie nickte und rutschte unbehaglich auf dem Sitz ein Stück zurück. Mit fester Stimme antwortete sie: »Drei Monate. Aber das spielt keine Rolle mehr.«
    Überraschenderweise lächelte Frau Thalis. »Nein, und wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was man in Davids Klasse tuschelt, hast du gestern noch einen sehr deutlichen Schlussstrich gezogen.«
    »Das ist meine Privatsache«, erwiderte Zoë etwas zu heftig. »Das hat nichts damit zu tun, ob ic h …«
    »Es geht hier nicht um Rechtfertigungen«, unterbrach Frau Thalis sie. Sie lächelte wieder und Zoë stellte fest, dass sie gar nicht so streng wirkte. Sachlich und trocken, ja. Aber nicht starr.
    »Na gut, kommen wir endlich zur Sache, Zoë: Ich halte dich zwar für keine sehr ehrgeizige Schülerin, aber für eine sehr gute Sportlerin. Sogar so gut, dass ich mir vorstellen könnte, dich in mein Leistungsteam aufzunehmen. Du hast ja sicher schon gehört, dass ich mit Unterstützung der Stadt ein schulübergreifendes Projekt starte. Schüler aus insgesamt fünf Schulen nehmen daran teil. Du weißt, worum es geht?«
    »Triathlon?«
    »Nun, das ist das

Weitere Kostenlose Bücher