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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Freitag trainieren wir zwischen halb zwei und Viertel vor drei in der Werkrealschule in der Nähe des Kunstmuseums. Direkt vor dem regulären Training in unserer Schule also. Wenn du kannst, mach einfach beim Training mit und sieh dir an, ob es dir gefallen würde. Sieh es als Probetraining und entscheide dann, in Ordnung?«
    Das war auch neu: eine Erwachsene, die wie selbstverständlich das Ruder für sie in die Hand nahm.
    Frau Thalis zog ein Blatt Papier hervor und reichte es Zoë. »Hier ist ein Trainingsplan. Und meine Handynummer hast du ja. Ruf mich jederzeit an, wenn du Fragen hast. Und auch dan n …« Sie sah Zoë in die Augen. »… wenn es sonst etwas zu sagen gibt. Also: Bist du im Team?«
    Zoë musste nicht nachdenken, sie schlug ein.
     
    »Gizmo?«
    Ein Gähnen am anderen Ende der Leitung und eine gelangweilte Stimme. »Hey Gil, wo bist du?«
    »Nordstadt, beim Planetarium. Ich laufe gerade zum Neubaugebiet.«
    Er pfiff leise durch die Zähne. »Immer noch lebensmüde, was? Ich habe übrigens die Nachrichtensendungen aufgenommen.« Kurze Pause, dann: »Üble Sache, das mit Barb. Irves sagt, es war Maurice?«
    »Das vermuten wir. Gibt es was Neues?«
    »Meinst du bei denen in der Stadt oder bei uns?«
    »Bei den Ermittlungen.«
    »Nein.«
    »Gut. Hör zu, kannst du mir noch einen Gefallen tun?«
    Wieder eine Pause, dann ein genervtes Schnauben. »Was denn noch? Langsam schuldest du mir wirklich was.«
    »Ich weiß. Ich mache es wieder gut. Kannst du rausbekommen, ob Rubio eine Mailadresse hat?«
    »Kann ich zaubern?«, kam es unwillig zurück.
    »Hast du keine Suchmaschine? Kein kleines, geheimes Programm?«
    »Ich kann höchstens nach seinem Namen im Netz suchen lassen, aber wenn er sich unter maiblü[email protected] angemeldet hat, finden wir ihn nie. Außerdem glaube ich nicht, dass der alte Senilo überhaupt weiß, was eine Mail ist.«
    Wenn du wüsstest , dachte ich.
    Pause. Tastaturklickern, während ich um die Ecke bog und mit einem mulmigen Gefühl Zoës Gegend betrat.
    »Unter Rubio findet sich nichts«, sagte Gizmo. »Zumindest auf die Schnelle.«
    »Unter dem Namen habe ich auch schon gesucht, aber ich habe nicht s …«
    Mir fiel fast das Handy aus der Hand, als ich den Blonden sah. Nummer 11. In meinem Kopf verschob sich mein ganzer Stadtplan, schraffierte Zonen rutschten zusammen. Zur Sicherheit sah ich auf meine Armbanduhr. 13.3 6 Uhr. Um diese Zeit war Nummer 11 ansonsten bei der Restaurantmeile. Wir waren beide zur falschen Zeit am falschen Ort.
    »Gil?«, fragte Gizmo.
    Ich leckte mir über die trockenen Lippen. »Ich bin noch da.« Unwillkürlich war ich in ein Flüstern verfallen. »Aber ich … ich sehe etwas, das es nicht geben darf.«
    »Eine hässliche Brasilianerin?«
    »Nein, Nummer 11. Mitten in Shir Khans Revier.«
    Gizmos Atem wurde angespannter. »Was macht er?«
    Gute Frage. Er stand barfuß an einer Häuserecke, als würde er mit dem ganzen Körper lauschen. Und er witterte. Erst dachte ich, dass er einem Hund auf der Spur war oder vielleicht sogar einer Ratte. Aber dazu wirkte er viel zu konzentriert, so als wäre er auf der Hut.
    »Ich ruf dich wieder an«, flüsterte ich und legte auf. Der Wind stand günstig. Ich konnte ihn riechen, er mich nicht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, auf den Geruch von Taubenblut nicht mit einem Magenknurren zu reagieren. Aus seiner Manteltasche ragte ein Flügel. Nummer 11 und sein Pausenbrot. Jetzt erst merkte ich, wie hungrig und schlecht gelaunt ich war.
    Er machte sich auf den Weg zu den Baustellen. Ich widerstand der Versuchung, meine Schuhe ebenfalls auszuziehen, und folgte ihm, so leise ich konnte. Einen Vorteil hatte es, hinter ihm herzulaufen: Die Leute auf der Straße waren so damit beschäftigt, den verwahrlosten Obdachlosen anzustarren, dass ich ihnen gar nicht auffiel. Er hielt sich dicht in den Häuserschatten. Es gefiel mir nicht, dass sein Weg zu Zoës Wohnhaus führte, aber er blieb dort nicht stehen, sondern bog eilig um die Ecke. Als ich ihn wieder im Blickfeld hatte, sah ich, dass er am Rand der Baugrube herumstrich. Einer der Kräne schwenkte gerade einen Stapel mit Stahlträgern über das Gelände. Im Hintergrund erhob sich ein neues Gebäude, ein würfelförmiger Klotz, vielleicht ein zukünftiger Bürokomplex.
    Nummer 11 schlich am Bauzaun entlang, schnüffelte wieder. Er duckte sich und hob einen schwarzen Turnschuh auf, den jemand dort verloren hatte. Dabei nahm er mich aus dem Augenwinkel wahr

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