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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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war einfach nur zum Bett gestolpert und hatte sich unter der Decke verkrochen. Und nun, wenige Stunden später, kam ihr alles in ihrem vertrauten Leben unwirklich vor. Als sei das alles hier ein Traum: das Zimmer, die Uhr, deren Sekundenzeichen ruhig weiterblinkten, als wäre Zoës Welt gestern Nacht nicht einfach so aus den Angeln gerutscht. Ihr Kopf war ein einziges glühendes Pochen und durch ihre Knochen rieselten Kälte und Hitze. Schüttelfrost und Zähneklappern.
    Draußen brachte der Wind die Planen am Baustellenzaun zum Knattern. Zoë hörte es trotz der geschlossenen Fenster, ebenso wie das Husten in der Wohnung unter ihr und das Gurgeln des Wassers in den Rohren.
    Hastig zog sie sich die Decke über den Kopf und drückte ihr Gesicht ins Kissen.
    Langsam trieben auch wieder Erinnerungsfetzen durch ihr Bewusstsein: Sie hatten sie vor der Tür abgesetzt: Gil und dieser komisch gekleidete Typ mit Brille. Dann war sie die Treppen hochgestolpert – den kalten Stein unter ihren bloßen Füßen. Das schwache Licht der Schalter hatte genügt, dass sie die Treppen erkennen konnte. Sie hatte Glück gehabt: Die Tür zum Wohnzimmer, das sich nachts in das Schlafzimmer ihrer Mutter verwandelte, war geschlossen gewesen. Aber ihre Mutter musste wirklich sauer gewesen sein: Kalter Zigarettenrauch stand in der Wohnung. Bei der Erinnerung an den Gestank schnürte es Zoë wieder die Kehle zu.
    Sie stöhnte und richtete sich mühsam im Bett auf. Schmerz zuckte durch ihren Arm und ihre Schulter. Jeder noch so kleine Muskel schien gezerrt zu sein. Ihre Hände waren aufgeschürft, und als sie die Bettdecke wegschob, sah sie, dass sie tatsächlich einfach in ihren Kleidern ins Bett gekrochen war. Sie trug immer noch das Top und die Hose (Rostspuren, Staub und Schmutz). Ihre Füße waren schwarz von der Straße und von der Kletterpartie auf der Brücke aufgeschürft.
    Auf dem Weg zum Bad musste sie sich an der Wand abstützen. Schwindelig vor Fieber zog sie sich aus, duschte und trank das Wasser direkt aus der Brause. In der Küche fand sie heute keinen Zettel von ihrer Mutter. Offenbar war sie für ihre Frühschicht im Krankenhaus schon spät dran gewesen: Ihre Kaffeetasse war nicht weggeräumt und sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Aschenbecher zu leeren. Zoë schnappte sich das Telefon und tappte mit weichen Knien ins Wohnzimmer. Im Bademantel verkroch sie sich aufs Sofa.
    »Paula?«, flüsterte sie, als ihre Freundin abhob.
    »Wo bist du?«, rief Paula. »Ich habe schon x-mal bei dir angerufen. Warum machst du dein Handy aus?«
    Der Gong, der den Beginn der nächsten Stunde ankündigte, ließ Zoë zusammenzucken.
    »Ich… mein Handy ist kaputt. Und ich bin heute krank. Fieber. Sagst du bitte im Sekretariat Bescheid? Auch Frau Thalis?«
    »Oje, du Arme! Klar!«
    Paula sagte noch irgendetwas, aber die Worte ließen sich nicht mehr zu einer sinnvollen Abfolge ordnen. Das Letzte, was Zoë wahrnahm, bevor sie mit dem Telefon in der Hand in den nächsten Fiebertraum glitt, war das hysterische Kläffen eines Hundes, das sie so laut und deutlich wahrnahm, als würde sie direkt neben ihm auf der Baustelle stehen.
     
    Es war ausgerechnet irgendein Rentnerdackel, der die Leiche von Maurice aufgespürt hatte. Seitdem konnte man den Hund und seinen Besitzer im Minutentakt auf allen Kanälen bestaunen.
    Eingeblendete Schrift: Erwin K., Rentner, fand das Opfer
    O-Ton Erwin: »Er lag am Schuttplatz, hinter dem Neubaugebiet. (Geste: hektisches Richtungsfuchteln nach rechts.) Ich geh da sonst nie mit dem Hund spazieren. Aber heute wollt ich zum Kiosk. Erst hab ich nix gesehen, nur dass da eine Plane lag, die an ’ner Stelle so ausgebeult und lose war. Aber der Hund hat gebellt wie verrückt und da hab ich genauer hingeschaut, und dann ist mir der Hund durch, hat mir einfach die Leine aus der Hand gerissen, und ab unter den Zaun und rüber zu der Beule! Und da bin ich übern Zaun gestiegen und hinterher. (Geste: hektisches Richtungsfuchteln nach links.) Dachte erst, der hat ’ne Katze gerochen. Der hasst Katzen. Aber wie der da so an der Plane rumscharrte, seh ich, dass die im Wind zur Seite gerutscht ist. Und da seh ich dann auch auf einmal so eine Hand (Geste: Zombieklaue) und ein paar Fetzen von ’nem Unterhemd.«
    Dann wurde der Polizeisprecher eingeblendet. Die Polizei, erklärte er, schließe nicht aus, dass es sich um einen Serientäter handeln könne, der möglicherweise auch Barbara Villier ermordet hatte.
    »Alles

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