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Schattenblicke - Thriller

Schattenblicke - Thriller

Titel: Schattenblicke - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen-Susan Fessel
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nervös an mir vorbei. »Hat deine Mutter wirklich keinen Kontakt mehr mit ihren Eltern?«, fragt er.
    »Nee. Hab ich dir doch schon gesagt.«
    »Seit wann nicht?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Schon ewig. Ich glaub, kurz nachdem du weg bist.«
    Mein Vater schluckt. Goldzahn macht eine harsche Bemerkung, und er schluckt erneut. »Warum?«, fragt er heiser.
    Ich sehe ihn direkt an, und nach einer Weile erwidert er meinen Blick. Etwas liegt in seinen Augen, das ich nicht deuten kann. »Ich … ich weiß nicht genau, aber ich glaube, es ging um dich. Mama wollte nicht mehr, dass sie schlecht über dich reden. Und da hat sie dann beschlossen, dass sie von ihnen kein Geld mehr haben will. Und hat den Kontakt ganz abgebrochen. Aber weißt du was? Wenn du das unbedingt wissen willst, dann frag sie doch selber!«
    Mein Vater sieht zu Boden und wischt sich überdie Stirn. Der leichte Schweißfilm hat sich verdichtet.
    Für einen Moment würde ich ihn gern berühren, aber dann doch lieber nicht.
    Ich kenne ihn wirklich nicht mehr. Ich hab keine Ahnung, was er denkt oder fühlt und warum er hier sitzt.
    Goldzahn starrt mich an. Dann starrt er meinen Vater an.
    »Glaubst du, sie würde ihre Eltern um Geld bitten, wenn es um dich ginge?«, fragt mein Vater.
    Wie absurd! »Redest du jetzt vom Lösegeld oder was?«, frage ich. »Frag sie doch selber!«
    »Das kann ich nicht«, sagt er leise.
    Plötzlich bin ich sauer. Was für ein Feigling! »Warum denn nicht? Was soll denn der Scheiß? Aber entführen lassen kannst du mich, ja?«
    Goldzahn runzelt die Stirn und beugt sich vor. Dann zischt er etwas, und mein Vater antwortet kurz in schnellem Serbisch, bevor er sich wieder zu mir wendet.
    »Ich hab dich nicht entführen lassen. Ich habe … ich habe einen Fehler gemacht. Aber ich habe dich nicht entführen lassen!«, sagt er mit einem dringlichen Unterton in der Stimme. »Aber jetzt … wie geht es deiner Mutter?«
    Ich sehe ihn an. Mittlerweile ist mir selber heiß. Die Luft ist so stickig. Und Goldzahn … Ich habe dasGefühl, dass ich ihn riechen kann. Seine ungewaschenen Klamotten. Seine Wurstfinger. Seine Ausdünstungen.
    »Können wir mal das Fenster aufmachen?«
    Mein Vater sieht mich an. Ich habe den Eindruck, dass er mich anlächeln will, es sich aber rasch wieder verkneift. Stattdessen blickt er zu Goldzahn und sagt etwas.
    Goldzahns Augen verengen sich, dann lehnt er sich zurück und ruft Filip etwas zu, und Filip stößt sich vom Türrahmen ab und humpelt zum Fenster hinüber, um es zu öffnen.
    Augenblicklich strömt frische, warme Luft ins Zimmer, und ich atme befreit auf. Als Filip wieder zurück zur Tür humpelt, sehe ich, dass ein Verband unter seiner Dreivierteljeans hervorlugt.
    Irgendwie freut mich das. Aber ich will nicht so sein. Ich will mich nicht freuen, wenn ein anderer Mensch Schmerzen hat.
    »Nun sag schon, Sascha«, bittet mein Vater. »Wie geht es deiner Mutter? Geht es ihr gut?«
    Warum will er das wissen? Er hat sie vor einer Ewigkeit verlassen und mich dazu, was interessiert es ihn, wie es ihr geht? »Weißt du ihren Namen überhaupt noch?«, frage ich trotzig.
    Er sieht getroffen aus. Dann senkt er den Kopf. Etwas spielt um seinen Mund. Etwas Trauriges. »Den vergesse ich nie«, sagt er leise. »Susancice«, fügt erweich hinzu. Die serbische Koseform für Susanne. So hat er Mama immer genannt.
    Für einen Moment fühle ich mich ihm ganz nah. Dann rutscht Goldzahn unruhig auf seinem Stuhl hin und her und zischt etwas zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen.
    Mein Vater strafft die Schultern. »Geht es ihr gut?«
    »Na ja, jetzt gerade bestimmt nicht. Aber an sich schon, glaub ich.«
    »Hat sie jemand anderen? Oder ist sie wieder verheiratet?«
    »Nee«, sage ich knapp. »Aber weißt du was? Das geht dich nichts an. Überhaupt nichts.«
    »Ich weiß«, sagt mein Vater leise und blickt auf seine Hände herunter. »Ich weiß.« Dann sieht er auf. »Ich hol dich hier raus, Sascha. Ich verspreche es.«
    Goldzahns Blick fährt zwischen uns hin und her. Er sieht ungeduldig aus. Und wütend. Wieder zischt er etwas.
    » Dobre «, brummt mein Vater und steht auf. »Gut, das war es erst mal. Bis später.«
    Goldzahn folgt ihm durch die offene Tür.
    Ich bleibe ratlos zurück. Ich habe keine Ahnung, was er von mir wollte. Was das alles hier soll. Mit jedem Tag, mit jeder Stunde wird es rätselhafter.
    Ich werde noch verrückt. Die Hitze. Das Eingesperrtsein. Mein fremder Vater, der mir sinnlose Fragen

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