Schattenblicke - Thriller
wäre das wohl gewesen?
Einen Moment schweigen wir, dann sage ich: »Danke.«
Aleks nickt. »Schon okay. Ich wünschte, ich …« Er verstummt und zuckt mit den Schultern. »Frag mich, was du wissen willst.«
»Was mein Vater mit der Sache zu tun hat«, sage ich wie aus der Pistole geschossen.
Falsche Frage. Aleks zögert.
»Ich meine, er hat mir gesagt, dass ihr auf Geld wartet«, füge ich hinzu. »Aber meine Mutter hat kein Geld.«
Aleks räuspert sich. »Darüber weiß ich nicht richtig Bescheid«, sagt er ruhig. »Ich weiß sowieso nicht alles. Aber ich kann dir sagen, dass es ganz anders aussieht, als es in Wirklichkeit ist.«
»Dann sag mir doch, wie es ist!«, brause ich auf. »Psst, Alex, ruhig!« Aleks sieht mich erschrocken an und legt das Ohr an die Tür, und ich beiße mir in die Faust. Schon wieder steigen mir diese dämlichen Tränen in die Kehle. »Ich kann nicht mehr«, flüstere ich und schlucke. Schnell schließe ich die Augen.
Und schlucke noch mal.
Und dann spüre ich, wie sich ein Arm um meine Schulter legt. Aleks’ Arm. Und ich kann gar nichts dagegen tun, ich werde weich wie Wachs. Stumm lehne ich mich gegen ihn und lasse zu, dass er mich hält.
Meine Augen bleiben zu. Besser so. Weil – wenn ich sie öffne, muss ich der Wirklichkeit ins Gesicht sehen. So kann ich mir vorstellen, ich würde mit Aleks irgendwo am Strand sitzen, bei Sonnenuntergang. Mit Aleks, der so gut riecht. Frisch und warm und nach etwas Unbekanntem zugleich. Vielleicht Motorenöl.
»Alex«, sagt er sehr leise. »Hab keine Angst. Dir wird nichts passieren. In ein, zwei Tagen bist du hier raus und dann ist das alles nur noch eine Erinnerung. Irgendwann lachst du drüber. Wow, ich bin entführt worden! Von so trotteligen serbischen Typen. Mann, sahen die scheiße aus! «
Ich kann nichts dagegen tun, ich muss lachen. Aleks lacht auch, leise natürlich. Und sein Arm liegt immer noch um meine Schultern.
Ich kann seine Brust spüren. Die Wärme seines Körpers. Und mein Herz kann ich klopfen hören.
In meinen Ohren rauscht es auf einmal.
»Ja klar«, sage ich schließlich. »Klar. Und mein eigener Vater war auch mit dabei.« Meine Stimme klingt bitter und Aleks verstummt.
Eine Weile sitzen wir so da, still nebeneinander, und lauschen der Stille. Dann nimmt er seinen Arm vorsichtig von meiner Schulter und verschränkt die Hände in seinem Schoß. »Ich weiß nichts über deinen Vater, außer dass er dein Vater ist«, sagt er. »Aber ich glaube, er ist nicht gerade glücklich mit der Situation.«
»Wer ist das schon?«
Aleks schweigt. Ich schweige auch. Schade, dass er seinen Arm fortgenommen hat. Irgendwie hat mir das gutgetan. Ihn um meine Schultern zu spüren.
Aber immerhin ist da noch Aleks’ Hüfte an meiner. Und sein Arm an meinem.
»Mein Vater ist mir fremd«, sage ich plötzlich. »Ich hab ihn seit über zehn Jahren nicht gesehen. Und irgendwie ist er komisch. Kühl. Distanziert. Ich weiß nicht. Obwohl er …« Mich umarmt hat, wollte ich sagen. Aber ich bringe die Worte nicht heraus.
Umarmen . Das hat auf einmal eine seltsame Bedeutung.
»Und was weiß deine Oma?«, frage ich schließlich. Eigentlich brennt mir eine andere Frage auf den Lippen. Aber ich habe Angst, sie zu stellen. Angst, den Moment zu zerstören. Angst, dass Aleks sauer wird. Und mich wieder einsperrt.
Aleks lächelt. »Meine Oma denkt, du warst in Gefahr, also du solltest entführt werden, von fiesen Romatypen …« Er lacht leise und ich bin verwirrt.
»Romatypen?«
»Ja«, sagt er und wird wieder ernst. »Romatypen. Bei euch heißen die Zigeuner, oder? Die müssen bei uns für alles Üble herhalten.«
»Nee, bei uns heißen die auch Roma«, sage ich. Die Fensterputzer, die mir den Rucksack klauen wollten! Das waren Roma. Jedenfalls sahen sie so aus. Aber was haben die mit meiner Entführung zu tun?
»Versteh ich nicht!«, sage ich, und Aleks seufzt.
»Na ja, meine Oma denkt eben, du solltest von Romatypen entführt und verkauft werden, und Nenad und Filip haben dich gerettet und hierhergebracht, damit sie dich nicht finden. Dann haben die beidendeinen Vater ausfindig gemacht und verständigt, und mich haben sie dazugeholt, weil ich Deutsch kann, und meine Oma, weil sie kochen kann, und jetzt müssen wir gut auf dich aufpassen, so lange, bis dein Vater alles für deine sichere Heimkehr organisiert hat.«
Ich starre ihn entgeistert an. »Quatsch!«
Er nickt. »Doch. Genau das denkt sie. Dass wir dich vor miesen
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