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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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hast deine Mutter gefunden. Lege meine Arme um seinen Hals und meinen Kopf an seine Schulter. Rieche seinen Duft und lausche seinem Herzschlag. Und schwöre mir, dass ich alles tun werde, damit er sich nie daran erinnern muss.
     
    Ich weiß nicht, wie lange wir so stehen und uns halten. Unendlich lange. Und doch nie lange genug. Wir nehmen uns an den Händen, klammern uns aneinander fest, und ich komme mit zu den anderen. Meine Schritte sind viel zu laut neben seinen. Menschentrampelschritte.
    Das war es. Karrs Schritte. Schlimmer noch als sein entsetztes Gesicht. Schlimmer, als ihn plötzlich mit blutroten Haaren zu sehen. Schlimmer, endgültiger waren seine plumpen, staksigen Schritte. So unendlich fremd den Wolfsschritten, die er machte, als er noch im Rudel war. Ich weiß, Karr kommt nie zurück. Moritz Hassmann wird vielleicht leben, aber Karr, der Werwolf, kommt nie wieder.
    Dann sind wir da. Thursen streicht Krestor und Lurnak zur Begrüßung über die Köpfe. Geht zu Norrock, der, so wie er uns gesehen hat, Mensch geworden ist. «Hier», sagt Thursen.
    Norrocks Blicke sind schwarz und schwer, als Thursen ihm Karrs leere Schale entgegenhält.
    Die kleine Zrrie, direkt hinter ihm, schaut von mir zu Thursen, schaut Norrock an. Kann das Dunkle in unseren Gesichtern nicht deuten. «Wo ist Karr?», fragt sie. Ihre Stimme, viel zu hoch, ist die eines verschreckten Tieres.
    «Krankenhaus», sagt Thursen.
    «Wieso?», fragt Norrock, dreht die Schale in der Hand. Berührt die frische Beule. Die Beule, die Karr in seiner blinden Angst hineingetreten hat.
    Thursen hat die Hände in seinen Taschen. «Er hat sich vor die Bahn gestürzt.»
    «Aber er kommt doch bald zurück?», fragt Zrrie.
    Thursen fährt sich mit einer Hand übers Gesicht, schüttelt den Kopf. «Eine Frau hat ihn erkannt. Hat ihn angemacht, weil er von zu Hause weg ist.»
    Norrock nickt. «Scheiße», flucht er. Wirft die Schale mit Wucht gegen den nächsten Baum. «Wieder einer weniger.»
    «Und wir wissen noch nicht mal, ob er durchkommt!», sage ich. Gehe hin zum Baum, um Karrs Schale aufzuheben, wie schon einmal. Jetzt hat sie noch eine Beule mehr.
    «Wir werden sehen», sagt Thursen.
    «Verdammt!», schimpfe ich, während ich die Schale mit einem Papiertaschentuch sauber wische. «Lässt euch das ganz kalt?»
    Norrock zuckt die Achseln. «Können wir was machen?»
    «Aber klar!», fluche ich. Lasse Norrock und Thursen die Schale scheppernd vor die Füße fallen. «Freut euch doch über euren tollen Werwolf-Gleichmut! Ihr seid doch bloß von euren Wolfsgedanken total zugenebelt!»
    Norrock grinst. «Und was macht die liebe Luisa?»
    Ich stopfe meine Hände in die Taschen meiner Jacke. «Gleich morgen früh fahre ich ins Krankenhaus. Ich will wissen, was mit ihm ist.»
    Thursen verzieht das Gesicht. «Wenn deine Mutter dich lässt.»
    Daran habe ich gar nicht gedacht. «Verdammt!»
    «Bleib doch hier», sagt Zrrie. Legt mir den Arm um die Schultern.
    «Hm», nicke ich.
    «Dann solltest du mit Thursen in der Höhle schlafen», sagt Norrock und mustert den klaren Himmel. «Gibt heute Nacht Frost.»
    So einfach. «Und ihr?»
    Er grinst «Wir brauchen eigentlich keine Höhle. Es gibt nichts so Warmes wie einen Wolfspelz.»
    Und dann kriechen Thursen und ich in die Höhle. Er gräbt mir ein Bett in das Laub und deckt mich mit der Decke zu. Legt sich neben mich, auf die Seite, den Kopf in die Hand gestützt. Ich ahne seinen Umriss gegen das schwache Mondlicht, das in den Eingang sickert. Wahrscheinlich sieht er mich an.
    «Was wird bloß mit Karr?», stöhne ich.
    Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht. «Norrock hat es doch schon gesagt. Du kannst nichts tun. Wenn du dir Sorgen machst, hilft ihm das auch nicht.»
    Keine Sorgen mehr machen! Klar, er kann das! «Ich kann das nicht so einfach abstellen! Ich verkrieche mich nicht im Wolfspelz, und alles andere ist mir egal.»
    «Nicht streiten! Bitte!», sagt er, als er mich auf den Hals küsst, auf das Kinn. «Alles wird gut!»
    Sprüche. Die haben noch nie was geändert. «Bist du Hellseher?», fauche ich.
    «Wir haben nur noch so wenig Zeit zusammen.» Er setzt seine Küsse fort, ist bei meinem Mundwinkel angekommen, atmet stoßweise. «Verplempere die nicht mit Streiten!» Er keucht es fast. Seine Hände zittern. Er schluckt, dann nimmt er mein Gesicht in die Hände und küsst mich auf den Mund. Hektische, heftige, gierige, hungrige Küsse.Da ist nichts mehr außer ihm. Kein Kälte, keine enge Höhle,

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