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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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nur noch Thursen, der mich küsst, als müssten wir gleich sterben. Ich spüre ihn unter meinen Händen, klammere mich an ihn. Lasse mich mit geschlossenen Augen in den Kuss fallen.
    Auf einmal stößt er mich von sich und ist einen Atemzug später Wolf. Mein Herz rast, und ich liege da mit brennenden Lippen und leeren Händen. Was passiert da mit uns? Warum gerade mit uns? Ich brauche Zeit, bis Atem und Herz wieder ruhiger gehen. Dann schmiege ich mich an sein raues Fell. Jetzt ist er kein Mensch mehr. Aber wenigstens ist er noch da: warm und lebendig. Unter dem Pelz schlägt sein Herz. Der Thursen-Wolf neben mir winselt leise und leckt meine Hand.
    So schlafe ich ein. Träume wirres Zeug. Träume von Karrs roten Haaren und vom Rot der Rückleuchten davonfahrender S-Bahn -Züge. Von meiner Mutter, diemichnoch mehr vermisst als Agnetha ihren Bruder Thursen. Träume, und das ist am schlimmsten, von Fabian, der mit mir tobt und sich dann lachend in nichts auflöst. Aufgewühlt und zerschlagen schrecke ich hoch und fühle mich so einsam in der dunklen, kalten Wolfshöhle. Ich wünschte, wünschte so sehr, Thursens Finger würden mir über die Wangen streichen. Meine Tränen wegwischen. Mich halten. Aber da sind nur Pfoten mit harten, stumpfen Krallen. Mehr gibt es nicht. Thursen kann nur als Wolf schlafen, weil er seine Träume nicht erträgt. Sie sind so viel schlimmer als meine. Neben mir höre ich ihn leise wimmern. Ich will ihn nicht wecken, vielleicht verwandelt er sich dann zurück in einen Menschen, und dann wird es noch schwerer für ihn. Stattdessen nehme ich die Decke und krieche aus der Höhle, so leise, wie ich als Mensch eben kann. Bin kein lautloser Jäger,doch Thursen erwacht nicht. Draußen reibe ich mein Gesicht, atme die kalte Nachtluft in meine Lungen. Es ist nicht alles schwarz. Langsam gewöhnen sich meine Augen daran, die Schatten zu unterscheiden.
    «Kannst du nicht schlafen?»
    Norrock ist wach. Erst als er spricht, bemerke ich ihn, den Mann, der dasitzt, an einen Baumstumpf gelehnt, und in den dunklen Himmel starrt.
    «Nein», sage ich. Die Decke umgehängt, reibe ich mir die Arme, damit mir wärmer wir. Es hilft etwas.
    «Wasser?» Er hält die Flasche hoch.
    Ich gehe zu ihm hinüber, vorbei an dem Knäuel der schlafenden Wölfe, und setze mich neben ihn, die Decke fest um meine Schultern gezogen. Nehme ihm die Flasche ab und trinke.
    «Danke.» Das Wasser ist eisig. Und eigentlich habe ich ja auch gar keinen Durst, aber trinken ist besser als reden. Besser als erzählen zu müssen, wie sehr Thursen mir fehlt, wenn er nicht Mensch ist.
    Die Wölfe liegen unter einem Busch, aneinandergekuschelt, einer an den anderen geschmiegt. Die sind nicht allein, die haben sich gegenseitig. Denen fehlt ja auch niemand zum Reden. Ja, ich bin eifersüchtig auf die wortlose Einheit, diese Gemeinsamkeit, die die Wölfe verbindet. Zwischen Zrrie und Lurnak ist ein freier Platz, bestimmt hat Norrock da eben noch gelegen. «Schläfst du nicht?», frage ich ihn. «Sieht gemütlich aus.»
    Er zuckt die Schultern. «Später.»
    Ich drehe die Flasche in meinen Händen. «Das mit Karr geht mir nicht aus dem Kopf.»
    «Willst du darüber reden?»
    «Ich denke, ihr redet lieber nicht über so etwas?»
    Er lehnt sich zurück, schließt die Augen. «Ich mache für dich eine Ausnahme.»
    «Das mit Karr war so schrecklich! Er hat plötzlich, na ja, er hatte ganz rote Haare und Sommersprossen und so.»
    «Guck mal an.»
    Will er sich über mich lustig machen? «Du bist zum Kotzen! Er hat sich zu Tode gefürchtet! Und dann – na, das hat Thursen ja erzählt.»
    Ich warte auf Antwort, die nicht kommt. Auf einmal sagt Norrock: «Denkst du immer noch, Thursen wäre besser dran, wenn er sich wieder erinnern würde? Karr hat sich doch erinnert, oder nicht?»
    «Wieso?»
    Jetzt sieht er mich wieder an. Grinst schief. «Du hast gesagt, er hatte plötzlich rote Haare. Ich weiß, was passiert, wenn einer sich plötzlich zurückverwandelt! Sjöll hatte da so eine Theorie.»
    «Also gut, ja, so was war das wohl.» Ich gebe Norrock die Flasche zurück.
    Er hält sie hoch, kippt sie hin und her und sieht dem Wasserspiegel zu. «Und du rennst durch die Stadt und suchst Thursens Erinnerungen. Also was? Willst du, dass er sich auch zurückverwandelt?»
    «Nein. Nein, das würde ihn umbringen.»
    Norrock trinkt noch einen Schluck. «Dann wird er Wolf, und du bist ihn bald los. Und was dann?»
    «Norrock, ich habe Thursen versprochen, mich

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