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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Gesicht verschatten? Seit Fabians Tod habe ich sie nicht mehr schneiden lassen.
    Nichts wird mehr so sein wie früher. Ich behalte die neue Hose an. Im Laden packen sie mir die alte in eine Tüte. Was soll ich damit? Sie gehört zu einem Menschen, der ich nicht mehr bin. Ein Stück die Straße hinunter werfe ich die Hose mitsamt der Tüte in einen Altkleidercontainer. Fast wäre ich über den Obdachlosen gestolpert, der mit seinem gelben Mischlingshund am Gehsteig sitzt. Mit ausgestreckten Beinen lehnt er da, die Hand im Fell seines schlafenden Hundes, ein Pappschild und ein paar gespendete Dosen Hundefutter neben sich. Ich denke aneinen anderen Hund. Ich muss Thursen sehen. Thursen, der ist, was er ist. Der nie etwas anderes war, seit wir uns kennen. Sehnsucht brennt in meiner Brust, als sei sie mit Säure ausgegossen.
     
    Hausarrest? Es geht nicht. Ich kann nicht zurück in die Wohnung. Noch nicht. Auf dem Weg zum Bahnhof kaufe ich Blumen für Fabians Baum. Am Bahnhof Nikolassee steige ich aus. Doch etwas von mir bleibt einfach in der Bahn zurück und fährt weiter. Es muss ein kleiner Teil der düsteren Last sein, die auf meine Lunge drückte und mir das Herz abschnürte. Atmen fällt etwas leichter. Thursen. Ich fange an zu traben.

SIEBEN
    Abgekämpft komme ich in der Senke an. Im Werwolflager. Sie sind nicht da. Thursen nicht, nicht Norrock und nicht Karr. Nur Sjöll, das Feengesicht hinter einem Laubberg verborgen, den sie in den Armen trägt.
    «Du bist wieder da», sagt sie.
    «Hausarrest», erkläre ich. Wie viel hat Thursen ihr erzählt?
    «Hausarrest», sagt sie, legt den Kopf schräg und lauscht dem Klang des Wortes. Ihr Mund verzieht sich, als lutsche sie etwas Verdorbenes. Das Laub in ihren Armen knistert, als sie sich von mir wegdreht.
    «Was tust du da?», frage ich.
    «Es wird Winter. Zeit, in die Höhle zu ziehen.»
    «Soll ich helfen?» Ich lege Fabians Blumen vorsichtigauf dem Waldboden ab. Ich kann sie später vor seinem Baum ausbreiten. Das ist nicht eilig. Er wird nie mehr ungeduldig auf etwas, das ich ihm mitbringe, warten.
    Sie nickt. «Wir brauchen Laub, trockenes.»
    Ich bücke mich, krieche unter überhängende Zweige, die das Herbstlaub vor dem Regen schützen. Schiebe mit meinen Händen die Blätter zusammen zu raschelnden Bergen, die Sjöll fortträgt. Ein paar Schritte nur, dann hockt sie sich hin, taucht in ein frisch gegrabenes Loch im Boden, das halb unter einem Brombeergebüsch verborgen liegt. Neben dem Eingang liegt ein flacher Hügel heller märkischer Erde, der, obwohl festgetreten, noch immer ein wenig nach feuchtem Blumenbeet riecht.
    «Wo ist Thursen?», frage ich, als Sjöll zu mir kommt, sich die nächste Last zu holen.
    «Jagen.» Sie zuckt die Achseln. Ein kleines Lächeln. «Gut, dass er diesmal wieder dabei ist. Ohne Thursen haben wir kein richtiges Glück. Er ist schließlich unser Anführer. Der Schnellste.» Sie zwinkert mir zu. «Schneller noch als Norrock.»
    Thursen, der schnellste der Wölfe. Es sollte mir Angst machen. Aber ein bisschen gefällt mir auch, dass er nicht nur als Mensch, sondern auch als Wolf besonders ist. In meinen Gedanken sehe ich ihn das Rudel leiten, geschmeidig und flink. Immer einen Schritt voraus. Tödlich.
    Nein. Stopp. Ich will mir nicht vorstellen, wie er die Beute schlägt. Wie er den Kampf gewinnt, sich seine Fangzähne in das Fleisch des Tieres graben und es sein Leben verliert.
    «Helfen Norrock und Karr dir nicht?», frage ich.
    «Die sind in der Fußgängerzone und sammeln Geld.»
    «Beide zusammen? Ohne Wölfe?»
    Sjöll lächelt. «Karr ist doch mit Wolf da. Norrock ist sein Wolf.»
    «Warum sammelt Norrock nicht als Mensch Geld, dann hättet ihr mehr?»
    «Manchmal hat er mit Jerro oder Krestor in der Wilmersdorfer Straße gesessen. Aber in letzter Zeit nicht mehr.»
    «Warum nicht?»
    «So viele Leute sind nichts für uns Wölfe. Karr kann sich noch am besten als Mensch vor Menschen zeigen. Ist noch nicht so lange Werwolf. Außerdem ist er nicht aus Berlin. Ihn kennt hier keiner.»
    «Und die anderen Wölfe, können die dir nicht helfen? Die müssen doch nicht alle jagen.»
    «Wie sollen sie das Laub denn tragen, im Maul? Das hilft wohl nicht viel.»
    «Mit den Händen! Sie könnten sich doch kurz verwandeln. Hier sieht sie schließlich keiner.» Inzwischen weiß ich, warum Thursen damals nicht wie verabredet an der Laterne auf dem Weg auf mich gewartet hatte. Norrock hatte es geahnt. Thursen musste als Wolf im Wald

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