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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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da nur Laubknistern, Karrs hastige Jungenstimme, Sjölls Vogellachen. Keine weiteren Schritte. Obwohl Thursen jetzt als Mensch im Eingang hockt, hat er sich bestimmt auf lautlosen Wolfspfoten angeschlichen, die Nase im Wind. Hat der Thursen-Wolf gewusst, gerochen, dass ich hier sein würde? Ist er deshalb nicht gleich zu uns hinuntergekommen, weil er mich nicht erschrecken wollte?
    Ich kann meinen Blick nicht abwenden. Thursens Gesicht, voll dunkler Schatten, umrahmt vom Waldlicht wie von einem Heiligenschein. Nein, er erschreckt mich nicht, aber ich weiß trotzdem nicht, was ich ihm sagen soll. Es ist das erste Mal, dass wir uns treffen, seitdem ich weiß, was er ist. Er sieht mich an, eindringlich trotz des Halbdunkels in der Höhle, als wollte er mir meine Gedanken aus dem Kopf saugen.
    «Du bist wieder da», sagt er schließlich, genau wie Sjöll vorhin.
    Ich nicke.
    Er kommt nicht mit hinunter in die Höhle, und ich verstehe, warum. Das, worüber wir sprechen müssen, gehört nur uns allein. Davon können wir niemandem etwas abgeben, nicht einmal Karr oder Sjöll. Er kommt nicht zu mir,also muss ich zu ihm gehen. Ich krieche aus dem Eingang, richte mich auf und klopfe mir die Blätter von der Hose.
    Norrock lehnt etwas abseits an einem Kiefernstamm, die schwarzen Lederjackenarme überkreuzt. Wie lange steht er da schon? Seit er mit Karr zurückgekommen ist? Als ich den Höhleneingang frei mache, stößt er sich vom Stamm ab und kommt zu uns herüber. «Wieder da, Luisa?», fragt er.
    Ich nicke.
    Er lächelt sein Raubtierlächeln, klopft Thursen auf die Schulter. «Soll ich dich ablösen?», fragt er.
    Klar, da war etwas mit Jagd. Thursen sollte dem Rudel voran hinter der Beute herjagen. Nicht hier bei mir sein.
    «Ja», sagt Thursen.
    Norrock beugt sich zu mir. «Lass dich nicht fressen!», raunt er mir zu, als er an mir vorbei zum Waldsaum trabt. Noch ein paar Schritte, dann hat ihn der Wald verschluckt.
    Und Thursen und ich sind allein. Wir gehen ein Stück zusammen. Ich versuche, unauffällig zur Seite zu sehen, zu ihm. Thursen bewegt sich wie immer, schlank, aufrecht und voll stählerner Anmut. Wölfischer Anmut, das weiß ich jetzt. Er hat etwas frische Erde am linken Ärmel seines Mantels, wischt sie weg, als er sieht, dass mein Blick darauf fällt. Lächelt so unsicher, wie ich mich fühle.
    «Du warst so lange weg», sagt er.
    «Hausarrest», sage ich.
    Er nickt. Versteht er wirklich? Oder ist das für ihn nur ein halbvergessenes Wort aus einer früheren Welt?
    «Ich dachte, du kommst vielleicht gar nicht mehr.»
    Ich weiß, was er meint, bleibe stehen. Der Waldboden ist so unwegsam wie meine Gedanken. Wenn ich gleichzeitiggehe und erkläre, stolpere ich. «Ich habe versucht, nachzudenken. Alles vernünftig und richtig zu machen. Aber ich konnte nicht anders, ich musste einfach zurückkommen. Egal, was du bist. Egal, wie es mit uns weitergeht. Du hast mir so gefehlt.»
    Er legt seinen Arm um mich. Zieht mich an sich. «Du mir auch», flüstert er mir zu. Und dann, zum ersten Mal seit wir uns kennen, sieht er richtig glücklich aus. Strahlt seine stille Freude zu mir, hell wie die Sonne am Morgen.
    Und ich leuchte zurück, spiegle, breche seinen Glanz in tausendfache Farben. Fühle, wie meine Seele vor Glück brennt. Ich möchte diesen Augenblick festhalten, für immer. Jede Sekunde mit Thursen ist kostbar. Irgendwann wird er Wolf werden, mich verlassen, mich vergessen. Aber nicht jetzt, nicht heute. In diesem Moment ist er da. Ganz da, ganz bei mir. Mehr, als er es jemals war. Er ist mir nahe, denn er hat mir vertraut, sich mir offenbart, mir gesagt, was er ist. Dieser Augenblick, in dem wir zusammen sind, er mich anlächelt so voller Glück, ist um so wertvoller, da er vergehen wird. Sein Gesicht, sein Lächeln ist so kostbar, weil es schon bald für immer verschwunden sein wird, hinter dem struppigen Gesicht des Wolfs, der in ihm wohnt.
    Wir stehen da und sehen uns an. Ich könnte in seinen Blicken ertrinken. Möchte mir sein Abbild für alle Zeiten in die Seele brennen. Ganz sanft strecke ich die Hand aus und berühre sein Gesicht. Mein Herz hämmert, und irgendetwas in meiner Brust zieht sich zusammen, als ich seine glatte, weiche Haut unter meinen Fingerspitzen fühle. Ich fahre die Konturen seiner Wangenknochen mit meinen vor Aufregung zitternden Fingerspitzen nach, die Bögen seiner Augenbrauen. Er schließt die Augen, und ichfühle seine Augenlider, zart wie Papier. Wandere weiter und entdecke

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