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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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huscht Karr vom Jägerauto zum Hintereingang des Gebäudes. Dort, wo ich vorhin stand, lehnt jetzt er, das Gesicht im Schatten. Der Schein der Wandleuchte über der Tür erreicht ihn nicht.
    Ein dumpfes Geräusch. Woher? Noch bevor ich suchend den Kopf drehen kann, flackert das Licht auf dem Parkplatz. Dann leuchtet nur noch eine einzige Laterne. Unter ihr ein breitschultriger Schatten, der sich rasch bewegt. Norrock tritt gegen den Pfahl. Die Laterne zittert und verlischt ebenfalls. Dunkelheit breitet sich über dem Platz aus wie ein Tier, das aus dem Käfig gelassen wurde. Vor dem Nevada-Haus rauscht weiter der Verkehr, leuchten die Straßenlaternen, dröhnt Musik aus Autoradios. Aber hier, auf dem grau asphaltierten Parkplatz, hat der Wald Einzug gehalten. Die Wölfe, jetzt sind sie in ihrem Revier.
    Karr hebt im Licht der runden Wandleuchte den Arm. Tritt zurück in den Schatten und verschmilzt mit der Hauswand. Die anderen haben das Zeichen verstanden. Leise Schritte, dann sind die Wölfe und die Menschen imDunkel zwischen den Autos und im Gebüsch verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
    Die Tür schwingt quietschend auf und ein Mann tritt heraus. Nicht sehr groß, im braunen Anzug, unter dem er einen Bauchansatz versteckt. Angegraute Haare über seine Halbglatze gekämmt. Unter seinem rechten Arm klemmt eine Aktentasche. Der Mann bleibt stehen. Irritiert? Ich wette, er spürt es. Sucht unbewusst das, was ihm Angst macht, und findet es nicht. Er sieht nichts, hört nichts, riecht nichts davon. Also geht er einen Moment später weiter, mit hallenden, hastigen Schritten, will schnell zu seinem Auto. Er weiß nicht, was ich weiß. Er weiß nicht, dass das, was die Menschen nur aus ihren Albträumen kennen, heute Nacht dort im Schatten wirklich auf ihn lauert.
    Der Mann zieht ein Taschentuch hervor und putzt sich im Gehen die Nase. Ich kann ihn mir nicht vorstellen, mitten im Wald, mit einem Gewehr in der Hand. Dieser Mann tötet? Dieser Mann hat Sjöll erschossen?
    Bedrohlich wirken heute Nacht die anderen.
    Dem Mann kommen wie aus dem Nichts drei Gestalten entgegen. Groß, breitschultrig und schwarz wie erloschene Sterne. Ich erkenne sie am Gang. Thursen in der Mitte, rechts und links Norrock und Rawuhn. In den Lücken dazwischen, düster und schnell, die Wölfe. Lurnak und Krestor, Jerro und Fath. Dass Karr ihm folgt, sieht der Jäger nicht.
    «Du hast einen Wolf getötet, Jäger!», spricht ihn Rawuhn mit fremder, tiefer Stimme an. So heiser, dass sie fast ein Knurren ist.
    Der Mann tut, als sei nicht er gemeint. Zieht seinen Kopf zwischen die Schultern, ohne den Blick zu heben.Hektisch kramt er in seinen Taschen, zieht den Autoschlüssel hervor und entriegelt die Tür. Erst als er sich auf den Fahrersitz schiebt, wird er mutiger: «Lasst mich doch in Ruhe. Ich habe es eilig!»
    Er schließt die Tür. Kurz darauf brummt der Motor, und die Scheinwerfer flammen auf.
    Er hat nicht bemerkt, dass seine vier Reifen platt sind. Karr hat die Luft herausgelassen. Der Jäger kann nicht wegfahren. Trotzdem versucht er es, rollt schlurfend ein paar Meter auf den verdrückten Geländereifen, versucht zu lenken.
    «Komm raus, Jäger!» Thursen stellt sich ihm in den Weg. Seine Stimme übertönt den Motor. Einen Moment noch wartet er, dann springen auf sein Zeichen hin Jerro und Fath auf die Motorhaube.
    Erschreckt tritt der Jäger auf die Bremse. Hupt.
    Thursen lächelt im Scheinwerferlicht. Seine dunklen Haarsträhnen fallen ihm ins Gesicht, als er nickt. Norrock nimmt Anlauf, hält sich links und rechts an der Dachreling fest. Schwingt beide Beine vor und tritt krachend das Heckfenster ein. Die Scheibe zerfällt in Glassplitter. Das Hupen erstirbt. Der Jäger fährt in seinem Sitz herum. Sucht etwas unter einer Decke, die er hastig beiseitewirft.
    «Los, komm raus, Jäger!», ruft Norrock atemlos, nachdem er wieder auf seinen schweren Stiefeln steht. «Oder sollen wir dich holen?»
    Die Tür springt auf, und die Innenbeleuchtung geht an.
    Ich sehe das Gewehr. Während der Jäger aussteigt, entsichert er die Waffe mit einer kurzen Handbewegung und schreit Thursen an. «Du, Freundchen, nimmst jetzt deine Kumpels und verschwindest! Aber schnell!» Ist da ein Zittern in seiner Stimme?
    Thursen breitet die Arme aus. «Na los, mach doch! Du hast einen Wolf getötet, warum jetzt nicht auch einen Menschen? Schieß, Jäger!»
    Ist Thursen verrückt? Thursen, statt zu lächeln, scheint eher die Zähne zu blecken. Im weißen

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