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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Mann geht erneut zu Boden. Schlägt sich das Gesicht auf, dass ihm dasBlut über die Lippen läuft. Mühsam und ächzend kommt er wieder auf die Knie.
    «Hilfe!», stöhnt er, leise, weil er weiß, dass niemand kommen wird.
    Aufhören! Sie sollen aufhören!
    Der Karr-Wolf kommt von hinten, springt dem knienden Jäger mit seinem ganzen Gewicht ins Genick, dann über ihn hinweg. Der Mann fällt nach vorn, reißt noch seine Hände hoch, damit er nicht wieder mit dem Gesicht aufschlägt. Liegt da, den Kopf mit den Armen geschützt, Norrock und Karr vor den Füßen.
    Norrock beginnt als Erster zu knurren, dann Karr. Die anderen fallen ein in das Grollen. Die Luft über dem Parkplatz scheint zu vibrieren. Steifbeinig stehen sie da, das Rückenfell aufgestellt wie Höllenhunde. Ein heiseres Bellen von Thursen beendet den Gesang. Die Werwölfe kreisen den Mann ein.
    Ich weiß jetzt, warum das Wort Werwolf von den Menschen nur mit Furcht ausgesprochen wird. Werwölfe sind keine wilden, scheuen Wölfe. Sie sind viel Schlimmeres. Im Blutrausch kennen sie keine Angst.
    Kaltes Entsetzen hüllt mich ein. Trotzdem schleiche ich mich näher. Sjölls Mörder liegt zusammengekrümmt am Boden. Niemand würde mehr den Mann vom Plakat in ihm erkennen, so blut- und schmutzverschmiert wie er ist. Er zittert am ganzen Körper. Noch nie habe ich einen erwachsenen Mann so zittern sehen.
    Karr und Rawuhn packen den Mann bei den Armen, halten ihn am Boden, und Thursen springt ihm auf die Brust, bleckt die Zähne. Seine Wolfsblicke saugen sich an der Kehle des Mannes fest.
    Ich weiß, wie Wölfe töten. Mit einem einzigen kraftvollenBiss beißen sie ihrem Opfer die Gurgel durch. Thursens Zähne kommen näher. Ganz langsam. Ich höre das Grollen tief in seiner Kehle.
    Wenn ich in diesem Moment in Thursens Augen sehen könnte, wäre da noch ein Rest Menschliches in ihnen? Ich kann mir die Antwort selbst geben. Thursen ist ein Wolf, und der Mann ist Beute.
    Er wird ihn töten.
    Jetzt.
    Ich kann nicht atmen. Nein. Nein, ich weigere mich, das weiter mitzuerleben. Das ist doch alles nicht wirklich! Kann doch nicht die Wirklichkeit sein! Verdammt, ich will endlich aufwachen aus diesem Albtraum!
    Und dann hole ich doch Luft, komme heraus aus meinem Schattenversteck. «Nein!», schreie ich, renne auf die Wölfe zu. Reiße die Arme hoch, um sie abzulenken «Nein! Hört auf! Hört auf!»
    Die Wölfe lassen ab von ihrem Opfer. Sie heben die Köpfe, des Jägers Blut noch am Maul. Springen auf mich zu in langen Sätzen. Irrlichter tanzen auf ihrem Fell, flackern in ihren Augen, als jemand im Haus hinter uns die Lampen anschaltet. Ihre Pfoten trommeln auf dem Asphalt. Schnell. Von ferne jaulen Polizeisirenen. Viel zu weit weg, um die Wölfe noch zu stoppen. Wohl das Letzte, was ich höre, denn es ist zu spät für mich, um zu fliehen. Jetzt bin ich Beute. Wie naiv ich war.
    Thursen und Norrock sind die Ersten, natürlich. Instinktiv ducke ich mich. Reiße die Arme vors Gesicht und versuche mich wegzudrehen, als sie zum Sprung auf mich ansetzen. Norrocks Körper erwischt mich an der Schulter und schleudert mich auf den harten Asphalt. Ich versuche mich abzustützen. Meine aufgeschürften Hände fühlensich taub an. Mein Herz hämmert. Doch bevor ich selbst aufstehen kann, werde ich unter den Achseln gepackt und hochgerissen. Männerhände umklammern meine Arme, Thursen links und Norrock rechts, zerren sie mich mit.
    «Los, weg hier!», zischt Thursen mir zu. «Lauf!»
    Sie sehen wieder aus wie Menschen. Als wäre ein Bann gebrochen. Ich kann wieder atmen, bin wieder aufrecht, spüre den Boden unter meinen Füßen und versuche zu rennen.
    Sie ziehen mich mit sich, weg vom Parkplatz, durch Nebenstraßen, über einen verlassenen Spielplatz. Hinter einem geschlossenen Kiosk halten sie endlich an. Das Wolfsrudel ist schon weit voraus. Sie lassen mich los.
    «Was, verdammt, tust du hier?», fragt Thursen. Schlägt mit der flachen Hand gegen die Kioskwand. «Wieso bist du nicht bei Zrrie?»
    «Ich wollte wissen, wo ihr seid!», keuche ich. Beuge mich vor. Stütze meine Hände auf die Oberschenkel wie ein Marathonläufer nach dem Ziel und versuche, zu Atem zu kommen. Meine geschundenen Hände beginnen zu brennen.
    «Und? Geht es dir jetzt besser?» Thursen steht im Schatten, stützt sich mit der Hand an der Rückwand des Kiosks ab und beobachtet die Straße.
    Da war so viel Blut. «Der Jäger ist nicht tot, oder?» Zögernd sehe ich Thursen ins Gesicht. Voller Angst,

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