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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Pullover aus. Küsst mich noch einmal und noch mal. Wie sehr ich seine Küsse liebe.
    Ich höre uns atmen, schnell und tief. Gehetzt. Ich kann nicht anders, als an den Toten zu denken. Sehe ihn wieder vor mir, wie in meinem Traum. Sehe, wie die Wölfe ihn durch den Wald jagen, in die Enge treiben.
    Ich schiebe Thursen von mir, ehe jeder klare Gedanke in meinem Kopf zerschmilzt. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Natürlich liebe ich ihn, mehr, als Worte es beschreiben können. Aber da ist auch diese Wut in mir. Diese unglaubliche Wut, wild und blind wie ein gefangenes Tier. Wut darüber, dass er es hat geschehen lassen. Dass die, die er zu Werwölfen gemacht hat, jetzt töten. Ich will nicht darüber reden. Ich weiß, dass ich ungerecht bin. Ich weiß, dass er den Wölfen nichts mehr zu sagen hat, dass Norrock der neue Leitwolf ist. Mein Verstand weiß es. Meine Wut bleibt trotzdem.
    Thursen stützt sich auf den Ellenbogen und sieht fragend zu mir hoch. Mir ist kalt, nur im BH und ohne Thursens Hände. Oder ist das die Winterkälte des Waldes, die ich wieder spüre? Ich greife neben mich, erwische Thursens Shirt, das ich ihm ausgezogen habe, und lege es mir um die Schultern.
    «Was ist?», fragt er. Sein Lächeln ist verschwunden.
    Ich will es nicht sagen, aber es bricht aus mir hervor. «Ich kann nicht aufhören, daran zu denken. Ist es dir denn egal, dass dieser Mensch getötet wurde? Du hast bei den Wölfen gelebt, warst einer von ihnen! Keiner kennt sie besser als du! Du hast das Rudel angeführt, du musst doch wissen, was man tun kann, wenn sie anfangen durchzudrehen!»
    «Was man tun kann? Wohl eher, was ich tun kann, meinst du. Und ich sag dir, was ich tun kann!» Er springt auf. «Ich sitze jeden Tag Stunden über dem verfluchten Schulscheiß, bis mir der Kopf platzt! Ich renoviere das ganze verdammte Haus!» Er zeigt auf die Wände, während er hin und her läuft. «Die Küche, den Flur! Mein Zimmer!» Er packt die eingeschweißte Abdeckfolie, die auf seinem Schreibtisch liegt, und wirft sie voller Wucht quer durch den Raum. «Reicht das noch nicht?» Die Folie knallt gegen die Wand und rutscht wie ein toter Vogel daran herab. Bleibt als kleiner Haufen vor der Fußleiste liegen.
    «Nein, Thursen, das reicht nicht! Das reicht nicht, wenn Menschen sterben!»
    «Ich bin ein Mensch! Du hast mich selbst zurückverwandelt, hast du das vergessen? Ich bin nicht mehr Thursen, ich bin Lars Lund. Ich habe damit nichts mehr zu tun!», schreit er mir ins Gesicht. Holt mit dem Fuß aus und tritt den Papierkorb gegen die Wand, dass die zerknüllten Papiere herausfallen wie schrumpeltrockene Schneebälle. Seine Wut erschreckt mich. Es ist so viel davon in ihm, seit er sich nicht mehr einfach in ein Tier verwandeln und all die bitteren, schwarzen Gefühle zurücklassen kann! Er flucht noch einmal und lässt sich mit einem tiefen Seufzer auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Dort bleibt er sitzen, vornübergebeugt, die Ellenbogen auf den Knien, die Hände um den Nacken geschlungen. So furchtbar besiegt sieht er aus.
    Meine Empörung, die wie eine Mauer zwischen uns gestanden hat, zerfällt zu Staub. Ich weiß nur noch, dass er der Mensch ist, immer sein wird, der mir am wichtigsten ist auf dieser Welt. Seine Verzweiflung, seine Hilflosigkeit sind meine. Ich kann nicht anders. Ich gehe zu ihm, umschlinge ihn und schmiege mich an ihn. Wie konnte ich nur denken, es sei ihm egal, was die Werwölfe tun? Wie kann es sein, dass ich ihn immer noch so wenig kenne? «Es tut mir leid. Ich weiß, wie schwer das alles für dich ist. Aber als ich vorhin in den Nachrichten gehört habe, dass dem Toten der Schädel eingeschlagen wurde, wusste ich überhaupt nicht mehr, was ich denken soll. Meinst du, es gab letzte Nacht zwei Tote?»
    Thursen sieht mich an. «Nein, es gab nur einen Toten.»
    «Aber dann muss jemand unseren Toten sozusagen nachträglich erschlagen haben. Und so etwas macht man wohl nur, um die Todesursache zu vertuschen, oder? Kann es sein, dass außer uns noch jemand von den Werwölfen weiß?»
    «Wir sind die Einzigen, die von ihnen wissen.» Er senkt den Blick wieder.
    «Wie kannst du da sicher sein? Thursen, wir müssen rausfinden, wer es war, der dem Toten den Schädel eingeschlagen hat!»
    «Nein, das müssen wir nicht. Ich war es.»
    «Du?» Kälte kriecht über meinen Rücken. Was hat er gesagt? Das kann nicht sein, nicht Thursen! Ich weiche ein paar Schritte zurück und starre ihn an. «Wieso du?» Ziehe sein Shirt

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