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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Suche nach ihm.
    Meine jungen Shinanim sollten besser nie herausfinden, wen ich da kenne. Wie kann ich der Anführer der Wächter über die Menschen sein, wenn ich mit so jemandem etwas zu tun habe? Das Beste wäre, ich würde vergessen, dass ich ihn jemals getroffen habe.
    Aber natürlich werde ich das nicht.
    Ich entdecke ihn, wie er an einem Kiosk steht und mit zwei seiner Freunde Bier trinkt. Die dunklen Haare, die Haltung, ich erkenne ihn sofort. Heute trägt er eine schwarze Nylonjacke und Jeans, unser Mr. Troublemaker. Dann, als ich näher komme, entdeckt er mich auch. Zeigt auf mich und schlägt seinem Freund mit dem blonden Borstenhaar auf die Schulter. Der dritte ist eher schmächtig mit rötlich braunem Haar und sieht bewundernd zu den beiden anderen auf.
    Sie ignorieren mich, gehen ganz gemütlich weg. Bleiben nicht stehen, drehen sich nicht um. Ich folge ihnen durch die Straßen, an den Läden vorbei. Als meine Geduld nachlässt, und ich anfange zu laufen, um sie einzuholen, lachen sie, werfen ihre halbvollen Bierflaschen weg, rennen in den Bahnhof und auf den Bahnsteig.
    Eine S-Bahn kommt. Sie steigen ein, und Borstenhaar zeigt mir den Mittelfinger. Kurz bevor sich die Türen schließen, schaffe ich es noch, in den Wagen zu springen.
    Er scheint überrascht, dass ich auf einmal doch vor ihm stehe. Für einen Moment sehen wir uns nur stumm in die Augen. Ich hebe beschwichtigend die Hände. Ich will keinen Streit, nur reden, ganz vernünftig mit ihm reden. Ich bin ja bereit, ihm zu helfen. Doch er hört mir nicht zu. Seine beiden Freunde nehmen breitbeinig hinter ihm Aufstellung.
    Als der Zug hält, vermute ich erst, sie steigen wieder aus, um unsere kleine Verfolgungsjagd fortzusetzen, aber offenbar hat er dazu keine Lust, stößt mich stattdessen von sich weg. Seine Freunde, vor allem der Kleine mit dem rötlichen Haar, amüsieren sich köstlich. Offenbar spielt er auch vor diesen Jungs wieder den großen Anführer.
    Da kommt das Signal, die Türen schließen sich, und der Zug fährt an. Ich versuche noch mal, ihm zu erklären, warum er so nicht weitermachen kann. Und diesmal bekomme ich meine Antwort.

[zur Inhaltsübersicht]
    11. Luisa
    Jenseits von Mitternacht herrscht eine seltsame Stimmung in der Stadt. Während die meisten Menschen schlafen, ist für die einen, die jetzt unterwegs sind, noch gestern und für die andern schon heute. In der U-Bahn treffe ich ein paar Übriggebliebene der letzten Nacht. Müde lehnen sie in ihren Sitzen, warten, dass auch für sie der Tag zu Ende geht. Mich hält der letzte Abend, Thursens Geständnis, und das, was noch zwischen uns passiert ist, im Gestern fest. Wir sind nur wenige im fast leeren Zug. Ich suche mir einen freien Platz, schräg gegenüber von einer müden Frau. Ob sie wohl gerade von der Nachtschicht kommt? Die Schwestern in dem Krankenhaus, in dem mein Bruder starb, trugen morgens nach zu viel Kaffee und zu wenig Schlaf so ein Gesicht.
    Hier muss ich raus. Umsteigen.
    Ratlos stehe ich auf dem Bahnsteig. Wohin soll ich jetzt? Ich kann noch nicht nach Hause, nicht so. Nicht, wenn ich zwar den Heimweg, aber den Weg nach morgen noch nicht weiß. Mein Versuch, ein normales Leben zu führen, ist wie Glas zerbrochen in scharfe, spitze Splitter. Splitter, an denen sich die Seele die Haut aufschneidet. Es tut so weh. Verfluchter Thursen!
    Thursen hat ein Menschenleben beendet. Wen habe ich da geliebt? Er war der, der zu mir gehört. Fast ein Teil von mir. Sein Herz in meiner Brust und mein Herz in seiner. Sein Mörderherz. Ich habe gesagt, ich liebe ihn, was immer auch geschieht. Was immer er getan hat. Doch das habe ich nicht erwartet. Wo ist meine Grenze? Wann werde ich mich wirklich von ihm abwenden? Abwenden müssen, um nicht auch noch die letzten meiner Träume, Ziele und Ideale zu verraten?
    Und selbst wenn wir zusammenbleiben, wenn ich mir irgendwann sagen kann, dass eine Tat, die er als Wolf begangen hat, nicht so viel zählt wie eine Menschentat, wir werden nie ein normales Leben leben. Konnten nie ein normales Leben leben. Ihm verbietet sein Eid, ganz Mensch zu sein. Ich bin eine Taucherin, atemlos, viel zu tief hinabgetaucht ins dunkle Wasser, die im schwerelosen Nichts nicht mehr weiß, wo oben ist. Thursen war meine Luft zum Leben. Und jemand anders hat er den Tod gebracht.
    Ich friere so. Als der nächste Zug in den Bahnhof einfährt, steige ich einfach ein. Mein altes Hobby: umherfahren und die Gedanken durchschütteln lassen, in der Hoffnung,

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