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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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an die Wand und kämpfe mit mir, zu bleiben. Ich will nicht aufwimmern, als das Gerät, das den Tropf kontrolliert, piepend eine Störung anzeigt. Ich will das eisige Gefühl im Magen nicht spüren, als die Schwester, die hereinkommt, um nachzusehen, die Hände unter den Spender neben der Tür hält und das Zimmer mit einer Hebelbewegung in eine Wolke aus Desinfektionsmittel hüllt. Ich stecke meine vor Angst eiskalten Hände in die Hosentaschen und hoffe, dass die Mütter, Elias und die Kinder so beschäftigt sind, dass sie nicht merken, wie ich immer tiefer in die entsetzliche Vergangenheit sinke wie in einen Sumpf. Gleich stirbt mein Bruder noch mal. Gleich sagen sie mir, dass er tot ist. Gleich werde ich in sein Sterbezimmer geholt, stehe an seinem Bett und nehme Abschied, während in mir alles zerbricht.
    Ich muss raus. Eile durch die viel zu breite Tür, stehe auf dem Flur und stütze mich mit den Händen an der Wand ab. Versuche zu atmen. Ein. Aus. Ein. Aus.
    Elias kommt aus dem Zimmer. «Ist dir nicht gut?», fragt er und legt mir die Hand auf den Rücken.
    Ich schüttle den Kopf, immer noch vorgebeugt, sodass mir die Haare vor das Gesicht fallen. Ich will nicht, dass er mein verheultes Gesicht sieht.
    «Ich bin gleich wieder bei dir», sagt er und verschwindet wieder im Zimmer.
    Ich muss mich beruhigen. Ich sperre meine übermächtigen Erinnerungen zurück in ihr Gefängnis, kehre ins Jetzt zurück und trockne meine Tränen.
    Gerade werfe ich mein Taschentuch in den Müll, da ist Elias auch schon zurück, rollt die Kiste in die Abstellkammer und schließt sie ein.
    «Warum hast du nicht gesagt, dass es dir nicht gutgeht? Komm, ich lad dich auf einen Kaffee ein», sagt er. «Hier gibt es ein nettes Café.»
    Er wartet meine Antwort nicht ab, sondern legt eine Hand an meine Taille, dirigiert mich in den Aufzug und dann in das kleine Café des Krankenhauses. Hell ist es, mit großen Fenstern, vor denen Grünpflanzen stehen. Sogar auf den Tischen sind kleine Blumentöpfchen. Die ersten Primeln riechen nach Frühling, von dem man draußen noch nichts merkt. Wenn nicht manche Besucher einen Bademantel und Pantoffeln trügen, würde es wie ein ganz normales Café aussehen.
    Wir setzen uns an einen der Tische am Fenster. Allerdings gibt es im Moment draußen nichts zu sehen als die erleuchteten Fenster des gegenüberliegenden Gebäudes.
    «Alles in Ordnung mit dir? Was war denn gerade los?», fragt Elias, nachdem er einen Espresso für sich und Pfefferminztee für mich geholt hat.
    «Keine Ahnung», murmele ich. «Kreislauf wahrscheinlich.»
    «Und jetzt? Geht es dir wieder besser?»
    Ich nippe vorsichtig an dem heißen Tee. «Ja, danke.»
    «Ich dachte, dir macht so etwas nichts aus. Immerhin hattest du kein Problem damit, dass ich dir blutverschmiert in der S-Bahn gegenübersaß.»
    «Das war was anderes, Blut ist nicht so schlimm. Ich wusste ja, dass deine Verletzung nicht lebensgefährlich war und du wieder gesund wirst.»
    «Die Kinder werden ja auch wieder gesund! Cedric wird morgen schon entlassen.»
    Ich glaube nicht, dass ich jetzt mit Elias über das Sterben von Kindern sprechen möchte. «Dabei ist Cedric doch dein größter Fan.»
    «Du meinst, er bleibt extra noch ein bisschen hier?» Elias lächelt verschmitzt. «Nein, mal im Ernst, Luisa, die Regenbogenkiste ist wichtig für die Kinder. Sie sind nun einmal krank, aber ich kann ihnen das Leben während dieser Zeit ein bisschen schöner machen.»
    Für mich war der Auftritt im Krankenhaus eben ganz bestimmt nicht schön, aber ich glaube gerne, dass die Kinder das anders sehen. «Ja, da hast du wohl recht.»
    «Eigentlich wollte ich dich etwas fragen», sagt er und rührt Zucker in seinen Espresso.
    «Eigentlich wolltest du mich was fragen. Und uneigentlich?»
    Er legt den winzigen Löffel auf die Untertasse. «Also gut. Ohne Drumherumgerede. Würdest du in Zukunft manchmal hierherkommen und dich um die Kinder kümmern, wenn ich keine Zeit habe? Ich kann dir ein paar Tricks zeigen.»
    Unwillkürlich weiche ich zurück. Nein, ich will ihn nicht ablösen! Ich will den Kopf schütteln. Ich will es mir nicht antun, wieder mit diesen Gerüchen und Geräuschen zu leben, die die Erinnerungen zurückbringen.
    «Gut, ich sehe schon, das war jetzt keine so gute Idee. Hat es was mit mir zu tun? Mit meinen dilettantischen Zaubereien? Du kannst auch dein eigenes Programm machen, wenn du magst.»
    «Es hat nichts mit dir zu tun, aber ich mag nun einmal keine

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