Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
denen›?»
«Du glaubst, ich weiß so was? Ausgerechnet ich? Ich kann mich ja nicht mal an meinen Namen erinnern!»
«Ich hatte dich danach gefragt, damit ich ihn mir merken kann, wenn du ihn vergisst.»
«Und?»
«Du hast gesagt, du heißt Gabriella.»
«Gabriella?»
«High School Musical. Die Hauptfigur da heißt Gabriella. Ich glaube nicht, dass das dein richtiger Name war. Aber irgendwas musst du doch wissen!»
«Ich weiß nichts. Nur dass sie unsere Feinde sind, die uns seit uralten Zeiten jagen.»
Ich sehe zu, wie die Farbe meines Fleischstücks von blutigem Rot zu hellem Graubraun wechselt. «Und diese Feinde sterben im Kreis, statt sich in Wölfe zu verwandeln?»
«Wahrscheinlich. Wenn die so einen Hass auf uns haben.»
«Und was sollte das mit dem Turm?»
«Frag mich das doch nicht! Frag Norrock oder Haddrice!» Ihr Blick wandert zu ihnen hinüber. «Aber sei vorsichtig, Norrock sträuben sich schon in seiner menschlichen Gestalt die Nackenhaare, wenn er von ‹denen› erzählt.»
«Okay. Ich frag ihn.» Ich stehe auf, lege meinen Spieß auf einen Stein und will gerade vom Feuer weggehen, als mich ein Wolf anknurrt und zähnefletschend zu meinem Platz zurücktreibt. Am liebsten würde ich irgendetwas nach ihm werfen. Stattdessen setze ich mich wieder, nehme meinen Spieß in die Hand und drehe das Fleischstück über dem Feuer, damit es nirgends verbrennt. «Ihr seid jetzt so viele», sage ich zu Zrrie. So viele fremde Wölfe, die mir gegenüber nicht gerade freundlich gestimmt sind.
«Ja, Norrock wollte ein großes Rudel.»
«Hast du auch einen davon gerettet?», frage ich leise und lasse meinen Blick in die Runde gleiten. Gibt es noch immer so viele Verzweifelte, die ein Leben als Werwolf dem Menschenleben vorziehen?
Einen Moment schaut sie mich an. Eine winzige, steile Falte schiebt sich zwischen ihre Brauen. «Ach so», sagt sie, «nein, das sind nicht alles Selbstmordkandidaten, wie zu Thursens Zeiten. Einige haben uns gefunden, andere hat Norrock gesucht. Sie helfen uns, machen unser Rudel stärker, mächtiger. Mauriks beispielsweise ist sehr geschickt und ein guter», sie zögert, «Jäger.» Dann zeigt sie mit ihrem Fleischspieß auf einen Jungen mit braunen Dreadlocks, der Einzige in der Runde, der noch eine normale Gesichtsfarbe hat. «Das ist Norrocks neueste Entdeckung. Er wird heute Nacht zum Wolf. Er ist flink und kann schneller rennen als wir anderen. Norrock hat gesehen, wie er fünf Jungs entkommen ist, die ihn schnappen wollten. Sie kamen von allen Seiten, und er ist ihnen trotzdem entwischt.»
«Dann ist diese Wolfsnacht für ihn? Und das Essen hier?»
«Heute hat er zur Feier des Tages das beste Stück Fleisch bekommen. Er wartet schon die ganze Zeit darauf, dass er sich endlich verwandeln darf.»
«Darf?»
«Norrock hat ihn bisher nicht gelassen.» Zrrie stößt mit ihrem Spieß den von Mauriks zur Seite und versucht, eine heißere Stelle über dem Feuer zu erwischen. Das Fleisch riecht endlich nicht mehr nach totem Tier, sondern es beginnt, würzig zu duften wie ein Braten.
«Auch die anderen hat Norrock überzeugt, sich uns anzuschließen. Das da drüben», sie zeigt auf einen Jungen in einer verblassten Armeejacke, «ist Roff. Er hat geboxt. Jedenfalls, bis ihn einer seiner Gegner nicht nur besiegt, sondern ihm auch noch gleich die Freundin ausgespannt hat. Das Mädchen neben ihm ist Irudit, Mauriks’ Freundin. Sie ist zwar nicht sehr groß, aber man sollte sie trotzdem nicht unterschätzen. Sie ist eine geschickte Jägerin und spürt alles auf. Keiner von uns Wölfen hat eine so feine Nase wie sie. Und», sie senkt die Stimme und neigt sich zu mir herüber, «vor Haddrice habe selbst ich Angst, wenn sie schlecht drauf ist. Wir sind stark geworden, Luisa, und werden jeden Tag stärker. Wir trainieren viel. Und wir haben jetzt Wachen überall im Wald.»
«Das habe ich mitbekommen», sage ich und denke daran, wie sie mich an Fabis Baum gefangen haben.
«Ach so, nein, Haddrice und Mauriks waren nicht auf Patrouille. Norrock hatte sie zu Sjölls Baum geschickt. Salz?», fragt Zrrie. Hält mir einen Salzstreuer mit altmodischem, versilbertem Deckel hin. Noch so etwas, was es bei Thursen nicht gab. «Wo habt ihr das bloß alles her?»
«Hier und da.» Sie grinst. «Gefunden.»
Ich muss nicht fragen, wie sie das meint. Ihr Grinsen sagt alles. Offenbar haben die Werwölfe sich jetzt, statt aufs Betteln, wie zu Thursens Zeiten, aufs «Finden» verlegt. Das würde auch
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