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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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den Händen abzuwehren. Aber die Wölfin ist schneller und geschickter. Sie beißt immer wieder zu. Er hat keine Chance. Blut läuft seine Arme herunter und klebt an seinem Hals.
    Ich war so gebannt, dass ich Norrocks Verwandlung nicht bemerkt habe. Im nächsten Moment liege ich schon auf dem Boden, und der schwarze Wolf ist über mir. Ich habe mir den Ellenbogen aufgeschlagen, und Norrock schnappt nach meiner Schulter. Ich verliere die Beherrschung. Angst, Wut und Enttäuschung brechen aus mir heraus, und ich schreie, schreie noch lauter als der Junge eben. Norrock lässt los und hat meinen Unterarm im Maul, den ich hochgerissen habe, um mein Gesicht zu schützen. Ein brennender Schmerz breitet sich aus, als er zubeißt. Ich versuche, meinen Arm wegzureißen, rudere in der Luft, denn er hat schon wieder losgelassen. Im nächsten Moment ist Norrock Mensch und wartet, ein bisschen außer Atem, dass ich auf die Füße komme.
    Ich stehe auf und halte meine Wunde. Mein Pullover ist an der Schulter und besonders am Arm zerrissen.
    «So, zeig mal.» Norrock greift nach meinem Arm und schiebt den Pulliärmel hoch. Abdrücke von Zähnen, und dort, wo sie die Haut geritzt haben, sickert Blut heraus.
    Norrock nimmt etwas Erde in seine linke Hand, wischt über meine Bisswunde und drückt den blutigen Finger in die Erde. «Los, spuck mal drauf!», sagt er.
    «Was soll ich?»
    «Na, das bisschen Blut reicht wohl nicht, um damit die Erde zu tränken, oder?»
    Ich beuge mich vor, spucke Norrock in die Hand, und er vermischt die Erde damit. «Ich zeichne dich mit dem Wolfsmond», sagt er und malt mir mit dem erdigen Daumen einen Mond auf die Stirn. Es fühlt sich kühl und feucht auf meiner Haut an, ich friere, und meine Wunden brennen.
    «Kannst die Jacke wieder anziehen.»
    Ich tue es. In der Tasche steckt mein Handy. Wenigstens etwas.
    «Fertig, Haddrice?», fragt Norrock, als wir zu ihr und dem Jungen hinübergehen. Ich wäre lieber am Feuer geblieben.
    Der Dreadlocksjunge sieht viel schlimmer aus als ich. Sein Hosenbein ist dunkel vom Blut, und der Oberkörper ist rostrot beschmiert. Auf der Stirn trägt er ebenso einen Mond wie ich. Ich zweifele keinen Moment daran, dass dieser Mond wirklich zur Hälfte aus seinem Blut besteht.
    Haddrice sieht mich mit zusammengebissenen Zähnen an, wahrscheinlich ist sie enttäuscht, dass Norrock mich nicht schlimmer verletzt hat.
    «Zeit für die Verwandlung», sagt sie mit heiserer Stimme.
    Norrock legt den Kopf in den Nacken, die Hände an den Mund und heult. Das falsche Menschenheulen, mit dem Norrock mich schon einmal die Wölfe rufen ließ.
    «Los, ihr auch!»
    Der Junge humpelt näher, legt den Kopf zurück und heult, lauter noch als Norrock.
    «Luisa?»
    Ich schließe die Augen. Ich will nicht. Ich will nicht hier sein, und ich will mich schon gar nicht verwandeln. Ich will mein Versprechen halten. Doch sie lassen mir keine Wahl. Meine Augen sind geschlossen, ich lege den Kopf in den Nacken und heule in einem langen Ton meine Wut durch die Bäume.
    Und auch diesmal antwortet das Rudel. Rascheln dringt vom Wald zu uns herüber. Ich öffne die Augen und kann es nicht glauben. Der Wald ist voll Nebel. Grauweiße Schleier hängen zwischen den Stämmen, dabei war die Luft eben noch klar. Dichter wird er, steigt höher und breitet sich auf der Lichtung aus. Innerhalb weniger Atemzüge wird der Wald zum Gespensterwald. Zum Ort uralter Sagen. Ein nebliger, unwirklicher Ort, in dem Werwölfe wirklicher sind als normale Menschen. Das Rudel kommt zusammen. Ich kenne viele dieser Wölfe aus meiner Zeit mit Thursen, habe sie angefasst, ihr Fell berührt. Trotzdem erscheint es mir jetzt, als seien sie körperlose Tiergeister. Zu leise ist ihr Schritt, fast als flössen sie über den Boden wie Wasser, das rasch und lautlos seinen Weg sucht.
    Norrock wartet schweigend. Das ist der Beginn seiner Wolfsnacht. Sie bilden einen Kreis um uns herum. Groß genug, dass alle Platz haben. Roff kommt aufrecht als Mensch. Mauriks und Irudit werden Menschen, als sie den Platz betreten. Als Wölfin ist Irudit blassgrau, fast wie Rawuhn, nur kleiner und gedrungener. Auch als Mensch ist sie nicht schlank. Mauriks ist eine Schattierung dunkler.
    Einer nach dem anderen finden sie ihren Platz im Kreis. Der Dreadlocksjunge wird von Mauriks mit einer schnellen Handbewegung zwischen ihn und Haddrice gewinkt. Er strahlt, ist ganz Vorfreude, als sie ihn rufen. Rasch folgt er und reiht sich ein. Ich sehe seine Hände zittern,

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