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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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voraus. Wir verlassen die Wohnung, durchqueren die kleine Halle davor, und er öffnet eine Tür, die auf eine beschneite Fläche hinausführt. «Das hier war früher der Dachgarten. Komm, ich zeige dir, von wo aus ich dich gesehen habe.» Er geht zu einer Leiter, die am Schrägdach hinaufführt. «Die ist natürlich eigentlich nur für den Schornsteinfeger.»
    «Da rauf?» Der Dachgarten ist schon ziemlich hoch oben, aber er hat immerhin ein stabiles Geländer. Und jetzt soll ich noch weiter hinauf?
    Elias lächelt belustigt. Wahrscheinlich ahnt er ziemlich genau, was ich denke. «Es lohnt sich! Die Aussicht ist wirklich toll.» Und schon ist er auf der Leiter und klettert voran.
    Es ärgert mich, dass er meine Angst bemerkt hat. Ich beiße die Zähne zusammen und folge ihm, langsam und vorsichtig. Es geht eigentlich ganz gut. So lange, bis wir den Steg für den Schornsteinfeger erreichen, der einmal um das ganze Dach herumläuft. Der verdammte Steg hat kein Geländer. Überhaupt keins. Nicht mal irgendwas zum Festhalten.
    «Höhenangst?», fragt Elias lächelnd, als er sieht, wie ich erstarre. «Sieh mal, da hast du mit deinen Taschen gestanden.» Er zeigt nach unten. Dahin, wo als weiße Flecken die Filmautos stehen. Dahin, wohin ich mit Sicherheit nicht sehen wollte.
    «Elias, ich kann nicht!» Ich stehe immer noch halb auf der Leiter, ein Knie auf dem Steg.
    «Ganz ruhig. Atme einfach weiter.» Er legt mir die Hand auf die Schulter. Nicht einfach so, richtig fest. «Und jetzt setz dich hin. Leg die Hände auf den Rost neben dich. Der Steg hier ist nicht so verwahrlost wie der Dachgarten, sondern neu und stabil. Er bricht schon nicht unter dir weg, keine Angst.»
    Ich verdrehe meine Augen so, dass ich seine Hand auf meiner Schulter sehen kann. «Nicht loslassen, ja?»
    «Warum?»
    Weil irgendetwas mich nach unten zieht. Weil ich sonst aufstehe und springe. «Weil ich sonst vielleicht doch noch stolpere. Die Dachpfannen sind total glatt!»
    «Luisa! Du kannst nicht stolpern, du sitzt.»
    Ich sitze, aber meine Füße hängen über dem Nichts. «Vielleicht rutsche ich ab, was weiß ich? Nimm ja nicht die Hand von meiner Schulter!» Am liebsten würde ich mich an ihm festklammern. Doch was, wenn ich Elias mit in den Abgrund reiße?
    «Jetzt sieh das Ganze doch mal realistisch! Wann bist du das letzte Mal einfach so vom Stuhl gefallen?»
    «Sehr witzig!»
    «Dann erklär mir, warum du jetzt hier auf dem Dach gleich das Schlimmste annimmst? Warum vertraust du nicht einfach darauf, dass alles gutgeht?»
    «Vom Verstand her ist es mir ja klar», sage ich, ohne mich zu bewegen. Ohne den Kopf zu ihm zu drehen. Möglichst auch, ohne zu atmen. Besonders, ohne einen einzigen Finger meiner Hände vom Steg zu lösen. «Aber es ändert doch nichts! Ich krieg keine Luft mehr vor Angst, Elias!»
    «Atme einfach ganz ruhig. Vertraue. Nichts wird geschehen. Stell dir einfach vor, dass jemand seine schützende Hand über dich hält.»
    «Das muss ich mir nicht vorstellen. Ich spüre deine Hand auf meiner Schulter.»
    «Auch wieder wahr.» Ich höre sein leises Lachen. «Eigentlich wollte ich dich nicht quälen, sondern dir den wunderbaren Blick über Berlin zeigen.»
    Ja, wahrscheinlich ist der Blick wirklich beeindruckend. Unter uns liegt der Kurfürstendamm. Doch wir sind so weit oben, dass der Lärm der Autos nicht zu uns dringt. Ich kann die Wagen der Filmcrew sehen. Alles da unten scheint winzig. Elias muss gute Augen haben, wenn er mich von hier oben erkannt hat. «Du kommst wohl oft hier rauf?»
    «Ja, ich bin gerne hier. So, und jetzt ist es vielleicht Zeit, mir zu erklären, warum du so plötzlich mit Sack und Pack vor unserer Tür auftauchst.»
    «Oh, nein! Nicht hier oben!»
    «Dann lass uns wieder nach unten klettern.»
    «Nein!» Wie soll ich jemals wieder runterkommen? Ich fühle mich wie eine Münze, die jemand auf die Kante gestellt hat. Der kleinste Stups, und ich stürze. Hilflos, haltlos.
    «Na, komm», lockt mich Elias.
    Und dann überwacht er, eine Hand stützend an meinem Arm, wie ich zeitlupenlangsam meine Hände löse, die Füße auf den Rost ziehe und dann die Leiter heruntersteige. Ich bin erleichtert, als ich endlich wieder auf dem alten Dachgarten stehe. Elias ist einen Moment später neben mir. Für ihn ist der Abstieg kein Problem. «Guck!», ruft er mich schon zur nächsten Dachkante. «Da unten ist der Innenhof! Siehst du den Brunnen?»
    Langsam trete ich näher. «Hält das Geländer, oder ist das nur

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