Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
Thursen nicht aus dem Blick. Thursens Gesicht ist blass, wie früher als Werwolf. Seine Finger krallt er zusammen, als wollte er sich festhalten im Nichts. Mein Thursen. Ohne nachzudenken stelle ich mich zwischen die beiden. Kann immer noch nicht glauben, was hier passiert.
Als Thursen sieht, wie ich mich schützend vor Elias stelle, schüttelt er mit einer Schulterbewegung die Wut ab und findet einen Wimpernschlag später zurück in seine Lässigkeit. Er läuft zur Zimmertür, schlägt sie dem fassungslosen Adrian vor der Nase zu und dreht den Schlüssel herum. Dann geht Thursen scheinbar unbekümmert durchs Zimmer und setzt sich mit einer einzigen fließenden Bewegung auf die Schreibtischplatte, mitten auf Elias’ Papiere. Stützt die Ellenbogen auf die Knie und lässt seinen Blick über Elias und mich wandern. «Störe ich?», fragt er mit wolfsheiserer Stimme.
«Was machst du hier?», frage ich und will zu ihm, doch Elias’ Griff fängt mich ab.
«Du traust dich hierher?», droht er Thursen mit dunkler Stimme. «Spazierst einfach so mitten unter uns? Wenn ich nicht an die elementaren Regeln der Gastfreundschaft gebunden wäre, würde ich dich auf der Stelle töten, Thursen!»
Thursen verzieht das Gesicht. «Weil ich dich mit meiner Freundin erwischt habe? Schlechtes Gewissen, du Engel?»
Elias dreht sich zu mir. «Das also ist dein Freund? Thursen? Von all den Jungs da draußen ausgerechnet Thursen?»
«Du kennst ihn doch überhaupt nicht!»
«Himmel noch mal! Wenn schon einer von denen, muss es denn dann auch noch Thursen sein?»
«Elias, das ist eine Sache zwischen dir und mir», warnt Thursen leise und gleitet vom Schreibtisch. «Zieh Luisa da nicht mit rein!»
«Angst, ihr die Wahrheit über euch Werwölfe zu sagen?», höhnt Elias.
Werwölfe! Das ist es also. Er weiß es. Nur, verdammt, woher? Thursen ist offenbar kein bisschen überrascht. Langsam geht er auf Elias zu. Das, was er ausstößt, ist von einem Wolfsknurren kaum noch zu unterscheiden. «Versuche es nicht, Elias, du bist vielleicht stärker, aber ich bin immer noch schneller als du!»
«Ihr Werwölfe seid nichts als gewissenlose Menschenjäger!» Elias rührt sich nicht. «Wem lässt du als Nächstes die Kehle zerfetzen, Thursen? Zerrt ihr alle eure Opfer ins Gebüsch und lasst sie dort liegen wie Abfall?»
«Du hast so überhaupt keine Ahnung.» Thursen fährt sich über das Gesicht. «Was weißt du schon über Leben und Tod, Elias?»
«Nicht so viel wie du, Thursen, oder? Wie ist es denn zu töten? Einem Unschuldigen das Leben zu nehmen?» Dann wendet er sich mir zu. «Los, Luisa, frag Thursen, ob er getötet hat!»
Ich schlinge meine Arme wie ein Schutzschild um mich. «Das muss ich nicht fragen.»
«So sicher, dass er keiner Fliege was zuleide tun kann?» Elias stützt sich mit einer Hand auf den Schreibtisch und zieht fragend die Augenbrauen hoch. Thursen macht einen Schritt auf mich zu. Doch ich will nicht, dass er sich einmischt. Immer noch erwidere ich Elias’ Blick. «Nein, sicher, dass Thursen getötet hat. Er hat es mir erzählt.»
«Wie bitte?» Es knistert, als Elias eins der Papiere in seiner Faust zerknüllt.
«Ich bin stolz, dass er mir vertraut, und ich weiß, warum er es getan hat. Aber das wirst du wohl nicht verstehen!»
«Nein, so etwas sollte man auch nicht verstehen!» Drohend sieht er Thursen an. «Was auch immer du vorhast, ich werde dich daran hindern, Thursen, dich und dein Werwolfspack!»
«Ich bin gekommen, um mit Luisa zu reden, nicht mit dir! Luisa, lass uns gehen.» Thursen dreht sich um und macht sich auf den Weg zur Tür. Ich will ihm folgen, doch Elias fängt mich ab, hält mich am Arm.
«Du wirst doch jetzt nicht mit ihm gehen?», sagt er leise. «Hast du ihn nicht gesehen? Er ist wütend und gefährlich!»
«Kannst du bitte erst mal meinen Arm loslassen?»
Als bemerke er erst jetzt, was er da tut, lässt er seine Hand sinken. «Was, wenn du etwas Falsches sagst und er auf dich losgeht? Ist dir dein Leben so wenig wert?»
«Ich muss mit ihm reden, Elias.»
Er dreht sich zum Fenster und stützt die Hände aufs Fensterbrett. «Du musst wissen, was du tust!»
Ich lasse Elias stehen und folge Thursen in den Flur. Adrian, Selina, Raquel, Sarah, Felix, Konstantin, alle stehen sie vor Elias’ Tür und versperren uns den Weg.
«Was soll das? Was wollt ihr?»
Sie antworten mir nicht. Ich blicke nur in versteinerte Gesichter.
Hinter mir höre ich Elias kommen. «Lasst sie durch. Luisa, ihr
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