Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
Vom Netzwerk:
Vittorio.»
    «Ja, das wollte ich. Aber ich wollte dich schon sprechen, bevor du die Werwölfin aus ihrem Raum herausgeholt hast.»
    «Der Raum, in dem Haddrice am Kreuz stand, ist ebenso sicher wie der, in dem Luisa vorher war. Es gibt auch dort keine Fenster, und die – äußerst stabile – Tür ist von außen verschlossen. Ich weiß nicht, wo das Problem liegt.»
    «Der Raum ist im Grunde sicher. Das Problem, mein lieber Elias, ist, dass beide Werwölfinnen trotzdem nicht mehr dort sind. Sie sind verschwunden. Und da kommt einem natürlich der Gedanke, dass du ihnen geholfen haben könntest, zu fliehen.»
    «Ich habe keine Ahnung, wie die Werwölfinnen entkommen konnten. Wie kommt Ihr darauf, Vittorio, ich könnte ihnen geholfen haben? Ihr kennt jeden meiner Schritte!»
    «Als Sinja das Türfenster öffnete, um nach unseren unfreiwilligen Gästen zu sehen, war der Raum leer. Die Tür war immer noch fest verriegelt, und der Schlüssel steckte von außen. Das Oberlicht in dem Raum ist allerdings zerstört. Die einzige Möglichkeit, die bliebe, ist also, dass die Werwölfinnen über das Dach geflohen sind. Nach oben zu entkommen wäre für uns Shinanim vielleicht der erste Gedanke, denn wir sind es, die nach oben streben, unserem Engelserbe gemäß. Die Entkommenen jedoch sind Werwölfe! Werwölfe graben in der finsteren Erde. Ihre Kraft stammt aus der Tiefe, das ist ihr Element. Kein Werwolf würde sich freiwillig auf ein Hausdach begeben. Sollten wir da nicht eher vermuten, dass ihnen jemand einen Schlüssel zugesteckt hat und das zerstörte Dachfenster nur ein Ablenkungsmanöver war?»
    «Ihr habt also den Verdacht, ich hätte Luisa heimlich einen Schlüssel zugesteckt? Und warum sollte ich Eurer Meinung nach Werwölfinnen, denen wir hier helfen wollen, die Flucht nach draußen ermöglichen? Nach draußen, wo sie schon bald den letzten Rest ihrer Menschlichkeit aufgeben werden?»
    «Nun ja, das könnte zwei Gründe haben. Zum einen, dass dich diese Werwölfin doch mehr verzaubert hat, als du zugeben magst. Vielleicht hat sie dich dazu gebracht, ihre Ziele über unsere zu stellen.»
    «Der Kuss, der Euch offenbar so wichtig ist, dass Ihr ihn immer wieder erwähnen müsst, hatte eine andere Bedeutung als das, wonach er aussah. Ich glaube, das habe ich bereits deutlich gesagt.»
    «Gut, sie hat dich also nicht verzaubert. Bleibt noch eine andere Möglichkeit. Möglicherweise haben die Werwölfinnen dich mit einem gewissen Nick unter Druck gesetzt. Kann das sein?»
    «Niemand hat mich unter Druck gesetzt. Und ich habe niemandem die Flucht ermöglicht.»
    «Aber es gibt in der Tat einen Nick, der dein Bruder ist.»
    «Nick ist nicht mein Bruder. Er ist der Sohn meiner Stiefmutter. Wir sind nicht verwandt. Wir sind ein paar Jahre lang zusammen aufgewachsen.» Aber ich fühle mich trotzdem, als wäre er mein Bruder. Mein Bruder! Dieser Bruder ist nicht nur kein Shinan, mein Bruder ist kriminell. Mein Bruder ist niemand, dem man gerne im Dunkeln begegnet, und ich weiß, dass er entsetzliche Dinge tut.
    «Was ist mit diesem Nick, Elias?»
    Luisa hatte recht mit ihrer Vermutung. Ich habe den Shinanim tatsächlich nichts von meinem Bruder erzählt. Aber jetzt ist es wohl an der Zeit, mit offenen Karten zu spielen. Jetzt wird sich zeigen, was ich den Shinanim wert bin. Vielleicht werden sie verstehen. Vielleicht aber auch werde ich nach meinem Bericht aufstehen, gehen und niemals wiederkommen. Ich atme noch einmal ein, dann beginne ich. «Nick ist wie ein Bruder für mich. Auch wenn ich weiß, dass er sich nicht richtig verhält.»
    Vittorio dreht sein Smartphone in den Händen.
    «Erzähl mir von Nick. Er ist kein Shinan wie du?»
    «Nein. Er ist niemand, auf den man stolz ist.» Und dann erzähle ich ihm von Nick. Wie ich immer wieder versucht habe, einen besseren Menschen aus ihm zu machen, und alles nur schlimmer wurde. Wie ich grandios gescheitert bin.
    «Woher wissen die beiden Werwölfinnen von ihm?»
    «Er und seine Freunde haben Mädchen überfallen. Offenbar gehörte eins seiner Opfer zu den Werwölfen.»
    «Warum bitte überfällt dein Bruder Mädchen?»
    «Wie kann es dafür einen Grund geben? Aus Langeweile, würde er vermutlich sagen, oder aus Spaß. Ich vermute, Alkohol und Drogen waren ebenfalls mit im Spiel.» Doch das ist nicht der eigentliche Grund. Die Wurzel liegt schon in unserer gemeinsamen Kindheit. Je mehr ich mich bemühte, gut zu sein, desto mehr Freude fand er am Bösen. Weil er mich in dem, was

Weitere Kostenlose Bücher