Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
Vom Netzwerk:
offenbar einen Beweis. Na gut, beweise ich ihm, dass es nicht funktioniert. Bei Nick sind meine Shinan-Kräfte schon immer nutzlos gewesen. Gehorsam tippe ich unter Vittorios Blicken Nicks Handynummer ein.
    «Ja?», meldet sich mein Bruder. Seine Stimme klingt klar, nicht verwischt, wie so oft, wenn er Drogen genommen oder zu viel getrunken hat. Habe ich etwa tatsächlich eine Chance?
    «Wir müssen miteinander reden, Nick», sage ich.
    «Was willst du, Elias? Wenn dir das in der Bahn noch nicht gereicht hat, sage ich es gerne noch einmal. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, Engelsfratze.»
    «Bitte, Nick», sage ich. Doch das Gespräch ist schon unterbrochen.
    «Es tut mir leid», sage ich Vittorio und gebe ihm sein Handy zurück. Ich kann Nick nicht einfach so dazu bringen, sich zu stellen. Er ist noch nicht so weit. Vielleicht hat Vittorio jetzt gesehen, dass ich doch nicht so mächtig bin, wie er sich erhofft.
    Ich erwarte, dass er erbost ist, weil ich gescheitert bin, doch sein Gesicht ist voller Güte und Nachsicht. «Du hast es versucht. Am besten gehst du jetzt auf dein Zimmer und ruhst dich etwas aus. Es wird eine lange Nacht.»
    «Mein Zimmer?»
    «Natürlich. Die Werwölfinnen sind uns abhandengekommen. Da draußen läuft vermutlich heute Nacht ein Rudel Werwölfe herum, das weiß, wo sich die Obersten unseres Ordens aufhalten. Das wird keine normale Nacht, Elias. Wir müssen die Werwölfe so schnell wie möglich einfangen, und zwar diesmal alle.»
    «Dann bleibe ich natürlich und helfe dem Rat, so gut ich kann.»
    «Ich denke, du solltest dich darauf vorbereiten, deinen Vortrag wenigstens in einer verkürzten Form doch noch zu halten.» Vittorio lächelt. «Das wäre auch eine gute Gelegenheit, dich den anderen Ratsmitgliedern vorzustellen. Wir werden heute dem Rat der Shinanim mitteilen, dass er ein neues Mitglied hat.»

[zur Inhaltsübersicht]
    22. Luisa
    THURSEN! Da, zwischen den Bäumen, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben, steht Thursen! Ihn zu sehen lässt mich fast von selbst in meine menschliche Gestalt wechseln. Er sieht mich, ungläubig erst, dann läuft er mir entgegen. Ich muss inzwischen weiter geheilt sein, denn meine Arme zu heben, um sie um seinen Hals zu legen, geht ganz leicht.
    «Du lebst!», flüstert er und drückt mich an sich.
    Ich atme, atme den Duft seiner Haare und fühle die leicht kratzige Wolle seines Mantels an meiner Wange. Schlinge meine Arme nur noch fester um ihn, als wenn er das Einzige wäre, was mir Halt gibt. «Sie haben uns gefangen, aber wir konnten entkommen.» Und jetzt erst, wo ich es sage, merke ich, dass es wirklich wahr ist. Wir sind entkommen, auch wenn mein Körper noch immer vor Anspannung flirrt, als wären wir auf der Flucht.
    «Hey, Shorou!», höre ich Norrocks Stimme. «Willkommen zu Hause!»
    Langsam löse ich mich von Thursen. Zu Hause? Ja, das hier ist das Lager der Werwölfe, durch Elias’ Kuss erinnere ich mich wieder daran. An die Höhlen und die Zelte aus zerrissenen Bauplanen, das Feuer, das in der alten Lastwagenfelge brennt.
    «Komm her, Haddrice! Leg dich hier hin!», sagt Norrock und klettert aus einer Hängematte, die zwischen zwei Bäumen aufgespannt ist. Seinen Kopf hatte er auf einem dicken Kissen liegen. Das Fußende ist nass und schmutzig von seinen Stiefeln. Haddrice kippt vor Erschöpfung fast vornüber, als sie sich auf Norrocks Ruheplatz legt.
    Eine Hängematte? Im Winter? Und das ist nicht das Einzige, was mir komisch vorkommt. Da ist zum Beispiel die Fußmatte mit dem Rentier drauf, die vor dem Höhleneingang liegt, und das Windspiel aus weißen Schäfchen im Baum bei der Feuerstelle, die dem Wolfslager den Charme eines durchgeknallten Campingplatzes verleihen. «Was ist hier passiert, Thursen», frage ich. «Und wo sind eigentlich die anderen?»
    In dem Moment kommen sie ins Lager wie eine Klasse, die von einem Schulausflug zurückkehrt. Die Werwölfe in Menschengestalt lachen und unterhalten sich, die in Wolfsgestalt umspringen sie und albern auf ihre Weise. Sie haben Sachen mitgebracht. Vorräte, ganze Tüten voll, Feueranzünder, Schlafsäcke, Isomatten. Auch eine Plane, sperrig zusammengerollt, auf die sie besonders stolz sind. «Die hing da so an einer Baustelle», sagt Polmeriak und lässt das unförmige Bündel von seiner Schulter zu Boden rutschen. Mauriks schmeißt Thursen einen neuen Schlafsack zu, dick und warm. Thursen entrollt ihn. Eine weiße, runde Diebstahlsicherung ist noch daran. «Der

Weitere Kostenlose Bücher