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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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ist ja geklaut», sagt Thursen.
    «Nee, das nennt man ohne Geld einkaufen.» Mauriks lacht und reißt mit einem Ruck die Preisschilder ab. «Bist du jetzt die Prinzessin auf der Erbse? Pass einfach auf, dass du dich nicht auf die Sicherung legst.»
    «Wieso klaut ihr?», frage ich. Haben sie nicht früher Geld erbettelt und sind mit dem Nötigsten ausgekommen? Oder ist das eine Erinnerung, die ich mir ausgedacht habe?
    «Wieso sollen wir bezahlen?», fragt Mauriks. «Weil Ladendiebstahl Aufmerksamkeit auf uns ziehen könnte? Wir werden doch jetzt, nach dem Ding auf dem Teufelsberg, sowieso gejagt.» Und dann leeren sie die Tüten aus und zeigen, was sie noch alles mitgebracht haben. Roff hat irgendwo Campingklappstühle gefunden. In einer der Tüten ist Hundespielzeug, das Jerro und Fath sofort wegschleppen. Ein Schild mit «Vorsicht bissiger Hund» freut Norrock besonders, und er hängt es an einem rostigen Draht an den größten Baum im Lager. «Im Sommer holen wir uns Blumenkästen!» Alle lachen.
    Um Riekes blaues Iglu-Zelt, das etwas abseits steht, beginnt Roff, einen handhohen Plastikzaun in den Schnee zu stecken.
    Nach einer Weile öffnet Rieke den Reißverschluss an ihrem Eingang und streckt den bemützten Kopf raus. «Was soll das denn?», fragt sie.
    «Willst du keinen Garten?», fragt Roff zurück.
    Rieke klemmt einen Finger in ihr zerlesenes Taschenbuch und weist mit der freien Hand auf die schiefen Plastikteile. «Hör auf mit dem Quatsch, pack das weg.»
    Norrock ruft zu ihr hinüber. «Komm raus, Rieke! Haddrice und Luisa sind wieder da. Hey, wir haben was.» Und dann gibt es tatsächlich frische Erdbeeren. Etwas zerdrückt sind sie und eiskalt, aber es sind Erdbeeren.
    Erdbeeren sind lecker, aber sie reichen nicht einmal ansatzweise, um meinen brüllenden Hunger zu stillen, der durch die Anstrengung der Flucht und die Heilung fast unersättlich geworden ist. Ich schlinge Brot, Fleisch, Schokoriegel, alles, was sie mir bringen, in mich hinein, und Haddrice geht es nicht anders.
    Als ich endlich satt bin, nimmt Thursen mich zur Seite, um ungestört mit mir zu reden. Ich stehe auf und bin auf einmal wieder unsicher auf den Beinen. Jetzt, wo die Strapazen überstanden sind und der Adrenalinspiegel wieder normal ist, spüre ich, wie angeschlagen ich noch bin. Thursen stützt mich, als wir ein paar Schritte von den anderen weg in den Wald gehen. Ich lehne mich an ihn, froh, dass ich nicht allein bin.
    «Was soll das alles?», frage ich noch mal.
    «Willkommen im Lager der fröhlichen Werwölfe. Hast du dich umgesehen? Wir haben Höhlen zum Schlafen. Unter den Planen lagern wir unsere Vorräte. Wir haben alles, was wir brauchen.»
    Ein Eichhörnchen, das den Baum hinaufhuscht, lässt das Vorsicht-bissiger-Hund-Schild leise klappernd hin und her baumeln. «Und ihr habt eine Menge Dinge, die ihr nicht braucht.»
    Thursen verzieht den Mund zu etwas, das noch kein wirkliches Lächeln ist. «Norrock weiß, dass es auf das Ende zugeht. Da will er noch mal richtig feiern.»
    «Das Ende?»
    «Shorou, die Shinanim suchen nach uns. Nachdem sie euch gefangen haben, dürfte auch dem Verbohrtesten unter ihnen klar sein, dass wir Werwölfe immer noch existieren. Sie wissen, dass wir da sind, und irgendwann werden sie uns aufspüren. Glaubst du wirklich, dass wir auch dann entkommen können?»
    Ich höre Norrock Anweisungen geben. «Was will er denn nun noch?», frage ich. «Ein Partyzelt? Champagner für alle?»
    «Es ist wegen Sjöll. Er lässt die Kerzen in Sjölls Windlicht erneuern. Sie brennen an ihrem Trauerbaum und sollen nicht ausgehen, bis die Rache an Nick und seinen Leuten vollendet ist.»
    «Er will also gegen Nicks Bande und gleichzeitig gegen die Shinanim kämpfen? Wie soll das gehen?»
    Thursen antwortet darauf nicht. Wahrscheinlich, weil es darauf keine Antwort gibt. «Zeig mir deine Wunden.»
    Zögernd wegen der Kälte schäle ich mich aus meinen Sachen. «Sieht es besser aus?»
    Er nickt. «Alles noch geschwollen, aber die Haut ist endlich zu.» Er drückt auf einen Punkt.
    Ein dumpfer Schmerz singt in mir. «Au!»
    «Dachte ich mir. Die Rippe. Innen ist noch nicht alles heil.»
    «Das habe ich gemerkt. Besonders, als ich aus unserem Gefängnis aufs Dach geklettert bin.»
    «Du hättest Ruhe gebraucht.»
    «Wäre es dir lieber gewesen, ich wäre nicht geflohen? Sie haben Haddrice gefoltert! Mit mir hätten sie das bestimmt auch gemacht, aber ich konnte mich aus dem Netz, mit dem sie mich gefesselt haben,

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