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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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zu‐
    sammenzuckte.
    «Wir besorgen dir einen Anwalt.»
    «Ich habe kein Geld», entgegnete Robert. «Jessies Leute
    lassen mich lieber verrecken, als dass sie einen Dollar lo-ckermachen.»
    «Ich zahle», sagte Jeffrey und dachte fieberhaft nach,
    wo er das Geld auftreiben konnte. «Das Haus ist noch
    nicht abbezahlt, aber ich habe die Rentenversicherung.
    Viel ist es nicht, aber für den Vorschuss reicht es. Possum und ich finden schon einen Weg. Ich kann bei einem Sicherheitsdienst anheuern, einen Nebenjob annehmen.» Er

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    versuchte, überzeugend zu klingen. «Ich ziehe zurück nach
    Birmingham und komme an den Wochenenden her.»
    «Das kann ich nicht zulassen.»
    «Du hast keine Wahl», sagte Jeffrey. «Du wirst nicht
    noch eine Nacht im Knast verbringen.»
    Robert schüttelte den Kopf. «Ich hatte nie eine Wahl,
    Jeffrey. Ich hab dieses Leben so satt. Ich hab einfach die Nase voll, von allem und jedem.» Er schloss die Augen.
    «Jessie ist fertig mit mir. Schon ewig.»
    «Ist es wegen der Fehlgeburt?», fragte Jeffrey. Er ver‐
    stand, dass so etwas eine Belastung für eine Beziehung
    sein konnte. Es musste einen Grund geben, dass Jessie ihren Mann betrog. Menschen betrügen einander nicht ein‐
    fach so.
    «Viel, viel länger», sagte Robert. «Alles fing an, als Julia in die Schule kam und überall rumerzählte, ich hätte sie vergewaltigt. Jessie hat mir nie vertraut. Seit dem Tag
    nicht mehr. »
    Jeffrey horchte auf. «Hast du Jessie gesagt, was passiert ist?»
    «Sie hat mich nie gefragt», sagte Robert. «Sie glaubt ja, alles schon zu wissen. Warum fragen die Leute einen nicht
    wenigstens?»
    «Vielleicht wollen sie die Antworten nicht hören»,
    sagte Jeffrey, Er war auch nicht besser als Jessie. Trotzdem
    sagte er: «Jessie hat die Gerüchte nie geglaubt. Keiner, der
    dich kannte, hat es geglaubt.»
    «Bei dir haben sie es geglaubt», gab Robert zurück. Er ; blickte Jeffrey mit feuchten Augen an. «Und ich hab sie die
    ganze Zeit in dem Glauben gelassen.»
    «In welchem Glauben?»
    «Dass du Julia vergewaltigt hast», erklärte er. Er schlug 327
    die Augen nieder. «Ich hab sie in dem Glauben gelassen,
    dass du mit ihr im Wald warst. Dass du sie vergewaltigt hast.»
    Jeffreys Mund wurde trocken.
    «Ich wollte mich selbst schützen», sagte Robert. «Du
    warst weg, und ich musste hier bleiben. Ich musste damit leben, dass sie alle auf mich herabsahen und dachten, sie hätten mein wahres Wesen durchschaut.» Er sah weg. «Jeden Sonntag in der Kirche konnte ich spüren, wie mir Lane
    Kandall Löcher in den Rücken starrte, als ob sie wüsste, was an jenem Tag passiert war.»
    «Was ist denn passiert, Robert?» Jeffrey wartete, doch
    er bekam keine Antwort. «Sag mir, was passiert ist», wiederholte er. «Ich habe dich nie gefragt, weil ich an deine Unschuld geglaubt habe. Wenn du jetzt sagst, du wärst
    schuldig, dann musst du mir erzählen, was passiert ist.»
    Robert räusperte sich ein paar Mal, dann griff er mit
    beiden Händen nach dem Glas Wasser, das auf dem Schreib‐
    tisch stand. Er trank einen Schluck und zuckte vor Schmerz,
    als sein Adamsapfel hüpfte. Jeffrey sah die blauen Flecken an seinem Hals. Jemand hatte versucht, ihn zu erwürgen.
    Oder hatten sie ihm die Kehle zugedrückt, um ihn am
    Schreien zu hindern?
    «Robert», flüsterte Jeffrey heiser. «Sag mir, was passiert ist.»
    Er schüttelte den Kopf. «Geh nach Hause, Slick.»
    «Ich lasse dich nicht hier.»
    «Geh zurück nach Grant County und heirate Sara.
    Gründe eine Familie. Werde glücklich.»
    «Das werde ich nicht tun, Robert. Ich werde dich nicht
    ein zweites Mal allein lassen.»
    «Du hast mich beim ersten Mal nicht allein gelassen»,

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    sagte Robert. Wut flammte in seinen Augen auf. «Hör zu,
    ich hab sie vergewaltigt. Genau das werde ich aussagen:
    Ich hab sie mit in die Höhle genommen und sie vergewal‐
    tigt, und als sie geschrien und gedroht hat, sie würde es allen erzählen, bekam ich Angst, genau wie ich neulich
    abends Angst bekam. Ich hab einen Stein genommen und
    ihn mit voller Kraft auf ihren Schädel geschlagen.» Er sah Jeffrey tief in die Augen. «Reicht dir das?»
    «Auf welcher Seite?», fragte Jeffrey. «Auf welcher Seite
    hast du ihr den Schädel eingeschlagen?»
    «Gott, keine Ahnung. Schau dir ihren verdammten
    Schädel an. Die Seite, die kaputt ist.»
    «Du hast sie nicht umgebracht», sagte Jeffrey. «Sie ist
    erwürgt worden, nicht erschlagen.»
    «Oh.» Robert konnte seine

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