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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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nuschelte sie nervös. «Das habe ich nicht
    gemeint –»
    «Aber ich freue mich, dass ich sie kennen gelernt habe.»

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    Sara nickte und dachte, wenn sie den Mund hielte,
    würde sie nicht so oft ins Fettnäpfchen treten können.
    «Deine Schwester ist süß.»
    «Ja», gab sie zu. So war es schon immer gewesen: Tessa
    war die Süße, die Lustige, der Cheerleader, die, mit der jeder befreundet sein wollte. Sara dagegen war die Große.
    An guten Tagen war sie die große Rothaarige.
    Statt weiter nach einer eleganteren Formulierung zu
    suchen, platzte sie heraus: «Tut mir Leid wegen dem, was ich gesagt habe.»
    «Schon okay», sagte er, doch sie hörte ihm an, dass es
    nicht okay war. Weshalb er immer noch mit ihr nach Flo‐
    rida wollte, war ihr ein Rätsel. Hätte Sara einen Funken Selbstachtung gehabt, hätte sie ihn allein fahren lassen.
    Das gequälte Lächeln in seinem Gesicht, als er ihren Koffer in den Kofferraum hievte, hätte Milch gerinnen lassen.
    «Ich wollte nur ...» Sie schüttelte den Kopf. «Ich weiß
    nicht, was ich wollte. Mich zum Idioten machen?»
    «Das ist dir gelungen.»
    «Was ich mache, mache ich gründlich.»
    Er lächelte nicht.
    Sie versuchte es noch einmal. «Ich glaube nicht, dass du dumm bist.»
    «Wie Brot.»
    «Was?»
    «Du hast gesagt, ‹dumm wie Brot›.»
    «Oh. Na dann.» Sie lachte, heiser wie ein Seehund.
    «Brot und dumm – so ein Quatsch.»
    «Aber gut zu wissen, dass du es nicht wirklich glaubst.»
    Er sah in den Rückspiegel und überholte den Kleinbus
    einer Kirchengemeinde. Sara betrachtete seine Hand auf
    der Kupplung und sah, wie seine Sehnen arbeiteten. Mit

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    den Fingern hielt er den Schalthebel umschlossen, der
    Daumen tippte leicht auf den Knauf.
    «Übrigens», sagte er, «war ich auf dem College.»
    «Ach ja?», sagte sie und vergaß ihre Überraschung zu
    verbergen. Dann machte sie es noch schlimmer, indem sie
    sagte: «Oh, gut. Schön für dich.»
    Jeffrey sah sie scharf von der Seite an.
    «Ich meine, schön, weil ... ich meine ... weil ...» Sie musste über ihre eigene Unfähigkeit lachen, dann legte sie
    sich die Hand auf den Mund und murmelte: «O Gott, Sara, sei einfach still. Sei einfach still.»
    Sie hatte das Gefühl, er lächelte, doch sicher war sie sich
    nicht.
    Dann wagte sie zu fragen: «Wie viel hast du mit ange‐
    hört?»
    «Irgendwas von wegen Abfärben?»
    «Das war positiv gemeint.»
    «Aha», sagte er. «Also endlich mal was Positives.» Dies‐
    mal zeigte er beim Lächeln die Zähne.
    Sara biss sich auf die Zunge und betrachte die vorbei‐
    fliegende Landschaft.
    Er sagte: «Es ist schön, dass sich deine Mutter um dich sorgt.»
    «Manchmal.»
    «Ihr steht euch alle ziemlich nah, was?»
    «Schätze schon», antwortete sie. Es war viel komplizierter.
    Er fragte: «Hast du deinen Eltern erzählt, dass ich einen Test gemacht habe?»
    «Natürlich nicht», sagte sie. Die Frage überraschte sie.
    «Das ist persönlich.»
    Er nickte zustimmend, ohne den Blick von der Straße zu
    nehmen.

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    Ihr zweites Date hatte mit einem Kuss vor der Haustür
    geendet und damit, dass Sara Jeffrey bat, einen Aidstest zu
    machen. Zugegeben, es kam etwas spät – bei ihrem ersten
    stürmischen Mal hatten sie nicht innegehalten, um über
    die Verhütung von sexuell übertragbaren Krankheiten zu
    diskutieren –, doch Sara kannte Jeffreys Ruf schon lange, bevor die Neuigkeit die Drogerie erreicht hatte. Jeffrey war
    nur ein ganz klein wenig gekränkt gewesen, als sie ihn um eine Blutprobe bat.
    «Ich habe am Grady Hospital so viele Fälle gesehen»,
    sagte sie nun. «So viele Frauen in meinem Alter, die nie gedacht hätten, dass es ihnen passieren könnte.»
    «Du musst mir nichts erklären.»
    «Letztes Jahr ist der Freund meines Cousins an Aids ge‐
    storben.»
    Sein Fuß rutschte vom Gaspedal. «Hare ist schwul?»
    «Natürlich.»
    «Im Ernst?» Er sah sie unbehaglich an.
    «Mit der Fistelstimme ist er schließlich nicht zur Welt
    gekommen.»
    «Ich dachte, er blödelt nur rum.»
    «Tut er auch», sagte Sara. «Ich meine, er will mir auf
    den Wecker gehen. Er nervt gern. Alle.»
    «Aber er hat doch an der Highschool Football gespielt.»
    «Ach, nur Heteros können Football spielen?»
    «Äh ... nein», sagte Jeffrey, doch er klang nicht sehr
    überzeugt.
    Wieder starrten beide auf die Straße. Sara fiel nichts
    ein, was sie hätte sagen können. Sie wusste fast nichts über
    den Mann, der neben ihr saß. In den drei Monaten, seit sie
    eine

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