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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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der Hand auf Jeffreys gesunder Schulter. Die Worte kamen hastig heraus, panisch.
    «Sein Puls ist unregelmäßig. Wahrscheinlich hat die Kugel
    die Arterie verletzt. Er war wer weiß wie lange bewusstlos.
    Die Wunde an seinem Kopf muss versorgt werden.»
    «Um mich machst du dir wohl keine Sorgen», sagte
    Smith und zeigte auf den behelfsmäßigen Verband um sei‐

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    nen Arm. In der Mitte zeichnete sich ein dunkler Blutfleck ab.
    «Sie scheinen für sich selbst sorgen zu können», gab
    Sara zurück und warf einen Blick auf seinen Partner beim Eingang.
    «Verdammt richtig», sagte Smith und wippte auf den
    Fersen. Jeffrey versuchte das Gesicht des zweiten Mannes
    zu erkennen, doch die Neonröhren waren so grell, dass er die Augen schließen musste.
    Brad rutschte ab und ließ einen Aktenschrank fallen.
    Mit Lichtgeschwindigkeit rissen Smith und der zweite
    Mann den Kopf herum, die Waffen im Anschlag.
    Brad hob die Hände. «Tut mir Leid», sagte er. «Ich habe nur –»
    Während sich der zweite Schütze wieder dem Ein‐
    gang zuwandte, ging Smith zu Brad hinüber. Sara behielt
    den zweiten Mann im Auge und fuhr mit einer Hand un‐
    ter Jeffreys Rücken. Brieftasche. Sie flüsterte: «Briefta‐
    sche.»
    Er biss die Zähne zusammen und zog sich hoch, um ihr
    zu helfen. Kaum hatte sie die Brieftasche an sich genom‐
    men, drehte sich Smith auch schon wieder zu ihnen um.
    Mit funkelnden Augen ließ er den Blick über jeden Einzelnen der Gruppe schweifen, als hätte ihn eine Art sechs‐
    ter Sinn gewarnt. Die Kinder waren so verängstigt, dass
    sie sich kaum regten, und Maria, die wie blind zu Boden starrte, schien in einer anderen Welt zu sein.
    Brad sagte: «Vielleicht können Sie mir –»
    Smith streckte die Hand aus und schnitt ihm das Wort
    ab. Im Raum war es still, doch offensichtlich hörte der
    Schütze etwas, das den anderen entging. Oder vielleicht,
    dachte Jeffrey, war er vor lauter Koks oder Speed total

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    durchgeknallt und paranoid. Warum zum Teufel würde je‐
    mand so etwas tun? Was hatten sie davon?
    Smith ging rückwärts, beide Waffen auf Brad gerichtet.
    Vor der Tür des Waschraums hielt er inne, sah nach sei‐
    nem Partner und bekam ein kurzes Nicken. Die beiden
    Männer arbeiteten wie die Räder eines Uhrwerks zusam‐
    men. Selbst ohne Militäruniform war klar, dass sie entwe‐
    der gemeinsam in der Grundausbildung oder an der Front
    gewesen waren.
    Die Tür des Waschraums glitt geräuschlos auf, und
    Smith trat mit erhobener Pistole ein. Jeffrey zählte die
    Sekunden, den Blick auf die Tür gerichtet, die sich langsam schloss. Plötzlich hörten sie den Schrei einer Frau und
    einen einzelnen Schuss. Kurz darauf kam Smith aus dem
    Waschraum, wie eine Trophäe hielt er ein Holster mit
    einer Polizeiwaffe hoch.
    Smith sagte zu seinem Partner: «Sie hatte sich unter
    dem Waschbecken versteckt.»
    Der zweite Mann zuckte die Achseln, als ginge ihn das
    nichts an, und Jeffreys Herz stockte bei der Erkenntnis,
    dass das Schwein gerade ein weiteres Mitglied seiner
    Truppe abgeknallt hatte. Wahrscheinlich hatte sich die
    Polizistin die ganze Zeit im Schrank unter den Waschbe‐
    cken versteckt und zu Gott gebetet, dass sie sie nicht finden würden.
    Smith warf den Gürtel in die Lobby, dann kam er zu Jeffrey zurück. «Hinsetzen», befahl er, und als Jeffrey sich nicht schnell genug bewegte, riss er ihn am Kragen hoch.
    Jeffrey drehte sich der Magen um. Auch Sara setzte sich
    auf, legte ihm die Hand in den Nacken und sprach auf ihn ein: «Tief durchatmen. Nicht dass dir schlecht wird.»
    Er versuchte zu gehorchen, doch die Maisgrütze, die er

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    zum Frühstück gegessen hatte, hielt sich nicht daran. In
    einem heißen galligen Schwall übergab er sich.
    «Gottverdammt!» Hastig trat Smith einen Schritt zu‐
    rück um dem Erbrochenen auszuweichen. «Was hast du
    gefrühstückt, Mann?»
    Jeffrey half ihm weiter, indem er auch den Rest der
    Maisgrütze erbrach. Er spürte Saras Hand im Nacken, das
    Metall seines College‐Rings kühl auf seiner Haut. Warum
    hatte sie seinen Ring an sich genommen?
    Smith sagte: «Brieftasche her.»
    Jeffrey wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.
    «In meiner Jacke», stöhnte er und schickte ein Dankgebet
    zum Himmel, dass er das Jackett vorhin vor lauter Wut auf
    Sara im Verhörraum vergessen hatte.
    «Wo?», verlangte Smith. «Wo ist deine Jacke?»
    Jeffrey holte tief Luft, er versuchte den Schwall zu un‐
    terdrücken, der sich in seinem Bauch

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