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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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strengsten medizinischen Fakultäten des Landes
    ihren Abschluss gemacht und zu den besten ihres Jahr‐
    gangs gehört hatte, fühlte sie sich in Gegenwart von
    Frauen, die kochen konnten, immer minderwertig. Dass
    erste und letzte Mal, dass sie einen Freund bekocht hatte, hatte damit geendet, dass sie zwei Töpfe und den Mülleimer wegschmeißen musste.
    Nell sagte: «Meine Beziehung zu Jessie ist ein ewiges
    Auf und Ab. Vielleicht, weil Robert und Possum uns zwin‐
    gen, die ganze Zeit zusammenzuhocken, und einfach er‐
    warten, dass wir uns prächtig verstehen. Meistens geht es 174
    gut, aber manchmal würd ich ihr am liebsten eine knallen, damit sie zur Besinnung kommt.» Sie ließ die Gabel über
    der Pfanne abtropfen und legte sie auf einer Serviette ab.
    «Aber jetzt tut sie mir einfach nur Leid.»
    «Schlimme Sache.»
    Mit einem Bratenwender drehte Nell die Pfannkuchen
    um. «Bobby ist ein echter Schatz, aber bei Männern weiß
    man nie, was man hat, bis man daheim ist und sie aus
    der Packung nimmt. Vielleicht schmatzt er beim Essen.
    Als Possum vor ein paar Jahren damit anfing, hab ich ihm mit dem Baseballschläger gedroht.» Sie lud die Pfannkuchen und etwas Rührei auf einen Teller und stellte ihn Sara hin. «Speck?»
    «Nein, danke.»
    Nell nahm drei Streifen gebratenen Speck und legte sie
    auf Saras Teller. «Ich hab sie nie leiden können. Bis vor ein
    paar Monaten. Da hatte sie eine Fehlgeburt. Ich bin jeden Tag bei ihr gewesen, damit sie keine Dummheiten macht.
    Die beiden sind daran fast zerbrochen. Seit ich sie kenne, wollte Jessie ein Kind. Schon in der Mittelstufe. Doch sie hat nie eins kriegen können.»
    Sara goss sich Ahornsirup über die Pfannkuchen. Es
    waren vier vollkommene Kreise, gleichmäßig dick. «Was
    für Dummheiten hätte Jessie machen sollen?»
    «Pillen», sagte Nell und wendete die nächsten Pfann‐
    kuchen. «Sie hat schon mal zu viele Pillen geschluckt.
    Wenn du mich fragst, wollte sie nur Aufmerksamkeit er‐
    regen. Robert macht nicht den Eindruck, als ob er ihr zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, aber man weiß ja nie.»
    «Nein», bestätigte Sara, den Mund voll Speck. Bis ges‐
    tern Abend hätte sie auch nie gedacht, dass Jeffrey fähig wäre, ihr zu drohen. Sie konnte immer noch den Luft-175
    hauch spüren, als er eine Handbreit neben ihrem Gesicht
    mit der Faust gegen die Wand geschlagen hatte. «Würde
    sie ihn je betrügen?»
    «Ha», Nell lachte, während sie sich den Teller voll lud.
    Sie setzte sich Sara gegenüber an den Tisch und bediente sich großzügig mit Ahornsirup. «Wenn, dann müsste sie
    sich jemanden in Alaska suchen. Robert weiß über alles
    Bescheid, was hier passiert. Wahrscheinlich wird er She‐
    riff, wenn der Alte abdankt. Hoss sitzt seit ewigen Zeiten auf seinem Sessel. Und ich schätze, irgendwann müssen
    sie ihn mit den Füßen zuerst aus dem Büro tragen. Aber
    wie ich die Leute hier kenne, würden sie ihn noch wählen, wenn er schon tot ist.»
    «Es gibt hier keine eigene Polizeitruppe, nur das Büro
    des Sheriffs?»
    Nell nahm eine Gabel voll Ei. «Weißt du, wie klein die‐
    ses Nest ist? Wenn wir auch noch mehrere Cops hätten,
    wer würde dann die Tankstelle führen?» Sie stand auf.
    «Saft?»
    «Nein, danke.»
    Nell nahm zwei Gläser aus dem Schrank und stellte sie
    auf den Tisch. «Wenn Jeffrey hier geblieben wäre, hätte
    sich Hoss natürlich längst zur Ruhe gesetzt.»
    «Warum?»
    Sie schenkte Saft ein. «Thronfolger. Roberts Vater war
    ein Versager, aber besser einen Versager zum Vater als jemanden wie Jimmy Tolliver. Der Mann war ein Monster.
    Jeffrey redet nicht darüber, aber die Narbe unter seiner
    Schulter hat er von seinem Daddy. »
    Sara kannte die Narbe, doch sie hatte nie danach ge‐
    fragt, um nicht über ihre eigene Narbe reden zu müssen.
    Jetzt fragte sie: «Was ist passiert?»

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    Nell setzte sich wieder. «Ich war dabei», sagte sie und
    nahm einen Bissen von ihrem Pfannkuchen. Ungeduldig
    wartete Sara, dass sie fertig gekaut hatte. Ausnahmsweise
    interessierte sie, was Nell zu sagen hatte. Endlich schluckte
    sie runter. «May hat ihn beleidigt, und da hat er sich auf sie gestürzt. Jimmy ist total ausgerastet. So was hab ich noch nie gesehen. Hoffentlich muss ich das auch nie wieder sehen.» Wieder klopfte sie auf Holz.
    Sara schluckte, obwohl sie nichts im Mund hatte. «Sein
    Vater hat seine Mutter geschlagen?»
    «Schätzchen, geschlagen hat er sie die ganze Zeit.
    May war so was wie Jimmys

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