Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
ein. Es waren also tatsächlich Scharfschützen auf ihrer Seite der Straße, und sie hoffte inständig, dass die Kugeln nicht durch das Dach des Wagens einschlagen würden. Cavanaugh zog die Tür ins Schloss, und dann fuhren sie. Theresa saß halb auf Chris, ihr Kopf schlug gegen das gepolsterte Dach. Sie atmete erst wieder, als sie die Kreuzung Rockwell und Sixth Street erreichten.
32
15:58 Uhr
»Fahr geradeaus«, ordnete Lucas an und wandte dabei den Blick nicht von Theresa und Cavanaugh auf dem Rücksitz. Er griff nach hinten und verriegelte die Tür. »Halte die Geschwindigkeit, damit sie nicht herausspringen können. Halte unter keinen Umständen an.«
»Und was jetzt, Lucas?«, fragte Chris Cavanaugh. Theresa konnte kaum glauben, wie ruhig er klang. Wegen ihrer zusammengebundenen Handgelenke musste sie ihren rechten Arm hinter ihrem Rücken strecken; er schob seinen linken Arm über ihren Kopf, um den Druck zu mildern. Die zwei Seesäcke bildeten eine solide, stoffbedeckte Wand zwischen den beiden Autohälften. Sie konnte nur vermuten, dass Ethan auf der anderen Seite lag und schlief. Als sie ihren Kopf unter Cavanaughs Arm hindurchduckte, bemerkte sie ein Stück weißen Stoff zu ihren Füßen. Ihr Laborkittel – sie hatte ihn im Auto zurückgelassen, und Brad hatte die Seesäcke genau darauf gelegt.
»Roll dein Fenster herunter, Jessie.« Lucas zog den Reißverschluss eines Seesacks auf und griff hinein. Zwischen den Taschen und dem Wagendach war ein etwa fünfzehn Zentimeter breiter Zwischenraum, durch den er ein Geldbündel herauszog. »Reiß die Banderole ab und schmeiß es aus dem Fenster.«
»Wie soll ich das machen und gleichzeitig fahren?«
»Wirf es einfach raus, es soll nur die Leute auf die Straße locken und die Cops behindern.«
Chris hakte nach. »Wo werden Sie hinfahren?«
»Das ist eine gute Frage, Chris, aber ich habe keine Zeit, mich mit Ihnen darüber zu unterhalten. Fahr am Ende der Straße rechts, Jessie. Geh nur so viel vom Gas wie unbedingt nötig.«
»Rot.«
»Fahr drüber.«
»Ich hasse Autofahren«, fuhr sie ihn an.
»Das wird schon. Fahr einfach weiter.« Er rollte sein Fenster ein paar Zentimeter nach unten, und selbst der heiße Wind war eine Erleichterung. Er fing Theresas Blick auf. »Denken Sie nicht einmal daran hinauszuspringen.«
Das hatte sie auch gar nicht vor. Die Vorstellung, wie der Asphalt ihr die Haut in ihrem Gesicht abschürfte, hatte sie schon längst davon abgebracht, doch viel eher wollte sie Lucas und Jessica nicht davonkommen lassen. Paul würde wegen ihnen vielleicht sterben, und dafür sollten sie bestraft werden. »Was ist mit dem Sprengstoff, Lucas? Den, den Sie gestern Nacht auf Jessicas Herd zusammengebraut haben? Wo haben Sie übrigens ein Reformhaus mitten in der Nacht gefunden?«
»Wie bitte?«, hauchte Cavanaugh ihr ins Ohr.
Sie tastete mit ihrem freien linken Fuß nach dem Laborkittel und spürte einen flachen Gegenstand – vielleicht einen Stift. Normalerweise befand sich nie viel in ihren Taschen. »Man kann Plastiksprengstoff aus Vaseline und Kaliumchlorid herstellen, auch bekannt als Salzersatz. Das wird unter anderem in Bioläden und Reformhäusern verkauft.«
»Wir haben es nicht gebraucht«, sagte Lucas, während er Geld aus seinem Fenster warf. »Ich habe Solidox verwendet, zum Schweißen. Es gibt einen Baumarkt in Maple Heights, der rund um die Uhr offen hat. Bieg an der Ninth links ab, Jessie.«
Lucas musste es von den Schaltern entfernt haben, ansonsten hätte er es benutzt, um die Polizei von der Verfolgung abzuhalten. »Und wo ist der Sprengstoff jetzt?«
Er lächelte ihr zu. »Genau hier, bei uns.«
Einen Moment lang dachte Theresa an einen Selbstmordpakt, verwarf diesen Gedanken jedoch sofort wieder. Lucas hatte seine Flucht bis ins letzte Detail geplant, und davon würde er jetzt nicht abrücken. Und was für ein Mensch Jessica auch sein mochte, sie würde nicht zulassen, dass ihrem Kind etwas zustieß.
Für Theresa und Chris sah es dagegen schon wieder ganz anders aus. Wenn sie überlebten und von den Ereignissen berichten konnten, dann wäre alles umsonst gewesen. Man würde Jessica und Lucas gnadenlos verfolgen, sie wegen zweier Morde verurteilen und sie für den Rest ihres Lebens hinter Gitter stecken. Ethan würde von Fremden aufgezogen werden.
Theresa und Chris würden sterben müssen. Daran führte kein Weg vorbei.
Kein Stift, dachte Theresa plötzlich. Ein Skalpell. Das sterile Einwegskalpell, mit dem
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