Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
nun den Sparbriefschaltern gegenüber, sowie den undurchsichtigen Fenstern, hinter denen die East Sixth Street verlief. Missy, in deren braunen Augen Angst und Wut standen, schien kaum zu atmen. Paul dachte an die Pistole an seiner Hüfte. Was konnte er damit anfangen?
Er musste unbedingt am Leben bleiben. Schließlich heiratete er bald. Theresa würde ihm nie vergeben, wenn er die Hochzeit verpasste.
Er bewegte sich vorsichtig, als ob seine Beine langsam steif würden, was sie auch taten. Die Augen des großen Bankräubers zuckten zu ihm. Es hätte auch ein Lichtreflex auf den Gläsern seiner Sonnenbrille sein können, doch das glaubte Paul nicht. Der Finger des Mannes musste nur ein wenig am Abzug des M4-Karabiners in seiner Hand zucken, und Missy wäre im Bruchteil einer Sekunde tot.
Seine Pistole blieb besser erst einmal in ihrem Holster.
Auch wenn es sich seltsam anfühlte, im Moment würde er am liebsten seinen Partner Frank anrufen und ihm sagen, dass Frau und Kind des Toten von heute Morgen hier waren. Es schien wichtig für die Ermittlungen zu sein.
Und sein Handy? Wenn es plötzlich klingelte, könnte das die beiden Geiselnehmer erschrecken. Doch wenn er versuchte, es auszuschalten, würde er ihre Aufmerksamkeit erregen, und das wollte er ganz bestimmt nicht. Wenn sie in ihrem Leben schon mehr als einen Strafzettel bekommen hatten, dann erkannten sie Polizisten auf den ersten Blick. Exsträflinge hatten einen untrüglichen Riecher. Außerdem konnte er den Gedanken nicht ertragen, seine einzige Verbindung zur Außenwelt zu kappen.
Bobby fesselte gerade den letzten Wachmann an ein Schaltergitter, die Arme nach oben gereckt, Blick zur anderen Wand. Es sah sehr unbequem aus und erniedrigend. Paul hatte Mitgefühl mit den drei Männern. Jetzt lastete alles auf seinen Schultern, da er der letzte Vertreter der Behörden im Raum war. Leitsätze aus seiner Ausbildung kamen ihm wieder in den Sinn: Schau nach einer Lücke. Warte, bis beide abgelenkt sind, dann feuere schnell. Nimm denjenigen der Geiseln als Erstes mit, der dir am nächsten sitzt. Riskier nicht das Leben einer Zivilperson.
Er nahm an, dass entweder die Polizei oder die Sicherheitskräfte der Bank – wahrscheinlich beide zusammen – einen Angriff planten. Die Tür am Nordende der Halle hatte Bobby verbarrikadiert. Da blieben nur der Gang hinter ihnen und der Eingang zur Straße. Die Decke war ungeeignet – zu hoch, und man konnte sich nicht hinter Abdeckplatten oder Ähnlichem verstecken, da sie nur aus Bemalung und vergoldeten Kanten bestand.
»Neunzehnhundertdreiundzwanzig«, flüsterte der uniformierte Schwarze neben Paul, als er dessen Blick nach oben bemerkte. »Das sind die Originalmalereien.«
»Wunderschön«, erwiderte Paul, auch wenn er in diesem Fall hässliche weiße Fliesen bevorzugt hätte, über die sich das SRT hätte heranpirschen können.
»Ja.« Der Mann seufzte. »Sie sollten mal die Büros der Chefs sehen. In einem hängt ein Picasso und eine Murano-Glas-Sammlung.«
Der große Bankräuber beobachtete sie über Missys Schulter hinweg, sagte jedoch nichts. Paul hielt sich allerdings mit einer weiteren Bemerkung zurück, er wollte sein Glück nicht herausfordern.
Nachdem der Hund sicher an einem Schaltergitter angeleint war, kam Bobby in die südwestliche Ecke der Halle zurück, wo ihn die Kugel eines Scharfschützen durch die Fenster zur Superior oder zur East Sixth unmöglich treffen konnte. »Okay, Lucas.«
Noch ein Name. Entweder waren das hier Stümper, oder sie hatten nicht vor, Zeugen überleben zu lassen.
Lucas befahl den Geiseln, auf die zwei Frauen zuzurutschen, und Paul robbte über den Boden. Es tat gut, die Arme senken zu können, und es war eine noch größere Erleichterung, als Lucas nicht befahl, sie wieder hinter den Köpfen zu verschränken. So konnte Paul seinen linken Arm fest gegen sein Sakko drücken, damit es nicht plötzlich aufschlug und seine Waffe den Blicken freigab.
Er lehnte sich gegen die solide Marmorrundung des Informationsschalters, der frei vor der Angestelltenlobby mit den Aufzügen stand. Die drei Sicherheitskräfte waren mindestens zwölf Meter von ihm entfernt, was eine Kommunikation nahezu unmöglich machte. Wenn Paul den Kopf in ihre Richtung drehte, hatte er auch Bobby im Blick, in der geschützten Zone vor den Sparbriefschaltern.
»Es tut mir leid, Missy«, sagte Lucas zu der zitternden Frau, »Sie müssen noch einen Augenblick vor mir stehen bleiben. Sie, der Gentleman in
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